Kann es wirklich Liebe sein
was ich am Tag erlebt hatte, hier fielen meine Sorgen von mir ab.“
Ihre Stimme klang so sehnsüchtig, dass Travis die kleine Meredith vor sich sehen konnte, wie sie sich in die Arme ihres Vaters schmiegte.
„Die letzten drei Jahre ohne ihn müssen sehr schwer für dich gewesen sein.“
Meredith hielt erschüttert inne und starrte ihn an. „Woher weißt du das? Dass er vor drei Jahren gestorben ist?“
„Damals hat Weihnachten aufgehört.“ Travis lächelte sanft, als er den verwirrten Gesichtsausdruck seiner Frau sah. „Na ja, eigentlich hat nicht wirklich Weihnachten aufgehört, aber das war das erste Jahr, in dem kein Geschenk mehr am Tor gelegen hat.“
„Ich verstehe nicht.“ Doch neben der Verwirrung funkelte noch etwas anderes in ihren Augen. Etwas Tieferes. Das Verlangen, einen Frieden wiederzufinden, der vor langer Zeit verloren gegangen war.
Er betete darum, dass das Wenige, was er wusste, ihren Schmerz lindern würde.
„Das erste Geschenk lag an dem Weihnachten vor dem Tor, nachdem ich dich nach Hause getragen hatte. Ein altes ABC-Buch, ein Mathematikbuch und ein Bauernkalender. Am Weihnachtsabend hat er zwei Schüsse abgegeben, damit ich die Bücher am Tor finde. Dein Vater hatte in dem Almanach eine Nachricht hinterlassen und sich bei mir bedankt, dass ich mich um seine Tochter gekümmert habe.“
Merediths Augen wurden feucht, doch ihre Lippen umspielte ein Lächeln. „Hast du das Buch noch?“
Travis nickte und erwiderte ihr Lächeln. „Natürlich. Ich kann es dir morgen zeigen.“
„Das wäre schön.“
Er umfasste ihre Hand, die immer noch auf seinem Arm ruhte, und führte sie weiter den Weg entlang.
„Im nächsten Jahr hat er mich mit weiteren Büchern überrascht. Immer waren ein paar Schulbücher dabei und der neueste Bauernkalender, aber irgendwann fing er auch an, die Ausgaben von Zeitungen mit dazuzulegen. Am Weihnachtsmorgen haben Crockett oder ich dann die Geschichten aus den Büchern vorgelesen.“ Ein Lachen stieg in Travis auf, als er vor seinem geistigen Auge Neill und Jim als kleine Jungen vor sich sitzen sah. Es kam ihm vor, als wäre es bereits Jahrhunderte her. Und dann wiederum erschien es ihm, als sei es erst gestern gewesen. „Es wurde zur Tradition. Wir alle saßen am Weihnachtsabend auf der Veranda und warteten auf die Schüsse. Ich holte das Päckchen und die Jungen umschwärmten mich, bevor ich überhaupt vom Pferd steigen konnte.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Manchmal waren Romane dabei, einmal ein Buch über Tierhaltung. Crocketts Lieblingsbuch war eine Sammlung von Charles Spurgeons Predigten. Es gab siebenundzwanzig Predigten in dem Buch, und Crockett hat uns jede Woche eine vorgelesen. Er war unheimlich stolz darauf. Ich glaube, er hat das drei oder vier Jahre lang durchgezogen, bis er angefangen hat, seine eigenen Andachten zu schreiben.“
„Das wusste ich alles nicht“, murmelte Meredith. „Ich wusste, dass er Päckchen für die Familien seiner Schüler zusammengestellt hat. Ich habe ihm sogar dabei geholfen, sie einzupacken. Aber ich wusste nicht, dass eines dieser Pakete bei euch landen würde.“
„Vor drei Jahren waren wir ja alle schon erwachsen, aber trotzdem saßen wir auf der Veranda und warteten auf die Schüsse. Doch sie kamen nicht.“ Travis versuchte, den wachsenden Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken.
„An diesem Weihnachtsfest haben wir getrauert, Meri. Nicht, weil wir die Geschenke vermisst haben, sondern weil wir wussten, dass dem Schenker etwas zugestoßen sein musste. All die Jahre war uns klar, dass es jemanden gibt, dem wir so wichtig sind, dass er sich um unsere Bildung und unser Wohlergehen sorgt. Und dieser Jemand war plötzlich weg. Meri, dein Vater war ein guter Mann und ich bin stolz darauf, mit seiner Tochter verheiratet zu sein.“
Meredith wischte sich schnell die Tränen von den Wangen, doch ihr Lächeln war ungebrochen.
„Danke“, sagte sie mit glitzernden Augen. Ihre Sehnsucht von vorhin war nun durch Dankbarkeit ersetzt – und etwas anderes, das seinen Herzschlag noch weiter beschleunigte.
Der Pfad wurde breiter, als sie an den kleinen Teich am Fuße des Wasserfalles kamen. Der Bach stürzte sich nur wenige Meter in die Tiefe, aber es war genug, um einen kleinen Angelplatz entstehen zu lassen. Und an dessen Ufer lag ein Felsbrocken, auf dem sein Vater immer mit seiner Mutter gesessen hatte.
Travis hatte nie den Tag vergessen, als er mit seiner Angelrute und Würmern bewaffnet
Weitere Kostenlose Bücher