Kann es wirklich Liebe sein
rannten ins Haus, um sich schon mal an ihre Arbeitstische zu setzen.
„Joshua, du bleibst hier und kümmerst dich um Ginger. Reib sie gut ab, ja?“
„Ja, Mama.“ Myras jüngerer Sohn wartete geduldig, bis Meredith abgestiegen war und ihm die Zügel übergeben hatte. „Danke, Joshua.“ Sie knotete die Tasche ab und trat zur Seite.
Während der Junge das Pferd davonführte, schloss Meredith zu Myra auf. „Weißt du was? Er ist bald so groß wie Josiah. Es dauert nicht mehr lange.“
„Ja, das stimmt.“ Myra sah stolz aus. „Und er ist drei Jahre jünger! Der Junge hat die Hände seines Vaters – groß wie Bratpfannen.“
Meredith musste lächeln, als sie daran dachte, wie Moses diese Hände geballt hatte. Von einer seiner Fäuste getroffen zu werden, musste sich wirklich so anfühlen, als würde man von einer Bratpfanne getroffen. „Aber Joshua scheint deine Liebe für Bücher geerbt zu haben. Hat er schon den Letzten Mohikaner fertig gelesen?“
Myra nickte. „Mhm. Vor zwei Tagen. Er hat mir erzählt, dass du ihm neue Bücher versprochen hast.“
„Das habe ich.“ Sie öffnete die Tasche und zog Die Abenteuer des Huckleberry Finn hervor. „Ich glaube nicht, dass ihr das schon gelesen habt. Es ist erst vor ein paar Jahren erschienen, deshalb war es nicht bei den Büchern, die mein Vater euch ausgeliehen hat.“
„Dann wird Joshua mit mir darum kämpfen müssen.“ Die ältere Frau zwinkerte Meredith zu und nahm das Buch an sich.
Meredith lachte und folgte ihr in das Klassenzimmer. Myra Jackson hielt das kleine Gebäude genauso sauber und ordentlich wie sich selbst. Und das bedeutete etwas, denn ihre weiße Schürze war immer faltenfrei und gestärkt und das schwarze Haar zu einem ordentlichen Knoten gebunden. Mit einem Seufzen befühlte Meredith ihre eigene Frisur. Die Freiheit hatte ihren Tribut gefordert. Kein Wunder, dass die Kinder so große Augen gemacht hatten.
Während Myra die Kinder zur Ordnung rief und alle ihre Fibeln herausholten, versuchte Meredith schnell, ihre Haare zu richten. Die abgenutzten Bücher, die die Kinder vor sich legten, waren dieselben, die schon Merediths Vater benutzt hatte, als er die Schule vor über zehn Jahren eröffnet hatte. Leider gab es nie genug Bücher, deshalb hatte Meredith Travis um Neills alte Bücher gebeten.
Nachdem sie ein paar dünne Arbeitsbücher aus ihrer Tasche genommen hatte, verteilte sie sie an die Erwachsenen, die hinten im Raum saßen. Sie freute sich über die bewundernden Gesichter und die Finger, die ehrfürchtig über die Seiten strichen. Diese Eltern lechzten genauso nach Bildung wie ihre Kinder, doch sie wollten der jungen Generation den Vortritt lassen, weshalb sie ihnen die wenigen Bücher und Arbeitsmaterialien überließen, die es in der Schule gab. Sie waren so großzügig. Meredith wünschte sich, sie hätte mehr für sie tun können.
Während Myra eine Schülerin aufforderte, nach vorne zu kommen und eine Passage aus einem Buch vorzulesen, ging Meredith an die Tafel und schrieb einige Rechenaufgaben an.
Myra hatte nach dem Tod ihres Vaters dessen Aufgaben übernommen und die Schule so gut sie konnte weitergeführt. Meredith wusste, dass sie ihre Aufgabe wunderbar erfüllte, deshalb hatte sie Moses auch sofort versichert, dass sie seine Frau nur unterstützen wollte, als sie ihm gegenüber ihre Idee erwähnt hatte, wieder zu unterrichten.
Myra jedoch hatte reagiert, als sei Meredith ein Geschenk des Himmels. Am ersten Samstag, als sie zur Schule gekommen war, hatte Myra sie fest in die Arme genommen und Gott laut für ihre Unterstützung gedankt. Danach hatte sie Meredith erzählt, dass sie schon seit Jahren für einen Lehrer betete, der sich um die fortgeschrittenen Schüler kümmern konnte. Sie träumte davon, dass ihre Schüler eines Tages selbst Lehrer werden würden oder Verkäufer oder sogar Ärzte. Bildung öffnete Türen und Myra wollte so vielen Kindern wie möglich diese Chance bieten.
Also unterrichtete Meredith in ihren drei Samstagsstunden die älteren Schüler in fortgeschrittener Mathematik, Grammatik und Geschichte. Vor allem Joshua machte sich sehr gut und Meredith hoffte, dass er irgendwann das Wiley College in Marshall würde besuchen können. Ihr Vater war immer stolz gewesen, wenn einer seiner Schüler den Sprung aufs College geschafft hatte, und sie musste zugeben, dass auch sie sich sehr über einen solch großen Erfolg freuen würde.
Doch zuerst musste Meredith Joshua helfen, mit Algebra
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