Kann ich den umtauschen?
Zeit standen Whattelly Halls Türen der gesamten »Nachbarschaft« offen â und damit meinte er jeden, der in einem der Whattellys wohnte: Upper, Lower, Nether und on Sea.
Die Dorfbewohner liebten ihn dafür.
Nathans Vater war gestorben, als Nathan noch jung war. Zu seiner Mutter hatte er keine besonders enge Beziehung, sie lebte im Ausland. Er war ein Einzelkind, wie Alice. Natürlich hatte er Freunde, doch die meisten wohnten in London und kamen nur selten nach Dorset, wo sie dann das taten, was Londoner glaubten auf dem Lande tun zu müssen: den ganzen Tag Tontauben schieÃen und abends opulente Mahlzeiten verspeisen. Zu Weihnachten kam keiner von ihnen.
Alices Mutter verreiste zu Weihnachten immer mit ihrer Freundin Abigail. Für sie war Weihnachten inzwischen in erster Linie eine Gelegenheit, in weiter Ferne mitten im Winter Sonne zu tanken und auf einer weinberankten Terrasse mit Meerblick an einem Glas WeiÃwein zu nippen.
Sie war nie wieder nach Whattelly Hall zurückgekehrt, auch nicht, nachdem Nathan alles hatte renovieren lassen und Alice wieder dort eingezogen war. Sie brachte es nicht über sich, wieder nach Dorset zu kommen. Offenbar war noch nicht genug Zeit verstrichen, um die Wunden zu heilen, für die Whattelly Hall Salz bedeutete.
Und darum verbrachten Alice und Nathan die Weihnachtstage wie auch die meisten anderen gemeinsamen Tage auf Whattelly Hall in trauter Zweisamkeit. Abgesehen von dem Tross an Menschen, die immer dort waren und arbeiteten.
Ihr erstes gemeinsames Weihnachten auf Whattelly Hall war für Alice eine ziemlich peinliche Angelegenheit gewesen, weil Nathans GroÃzügigkeit sie beschämt hatte. Wie das so ist, tendieren Frischverliebte ja dazu, beim ersten gemeinsamen Weihnachtsfest in puncto Geschenke ein klein wenig über die Stränge zu schlagen.
Alice erging es nicht anders.
Zum ersten Mal in ihrem Leben war dieses bedachte Mädchen an sein Erspartes gegangen, um Kunst für Nathan zu erwerben: eine wunderschöne kleine Bleistiftzeichnung, ein Akt, von einem bekannten einheimischen Künstler. AuÃerdem kaufte sie ihm Nachschub von seinem Aftershave, in erster Linie, um selbst immer dann, wenn sie ihn vermisste, daran schnuppern zu können ⦠Dann hatte sie in einem der hippen Läden in Upper Whattelly auch noch ein tolles Hemd gefunden, das farblich exakt zu seinen blaugrünen Augen und preislich ähnlich exakt zur Aktzeichnung passte, weil auch der Designer inzwischen ein namhafter war. Und sie hatte ihm eine Flasche uralten Cognac gekauft â seine Lieblingsmarke â, dazu ein Buch, einen Schal, Lederhandschuhe, einen Pullover, Pralinen, CDs und Reizwäsche (die sie tragen und er auspacken sollte).
Alice, die sich schon ein wenig Sorgen gemacht hatte, zu sehr übertrieben zu haben, war am Weihnachtsmorgen unter der Last ihrer Geschenke die Treppe hinuntergewankt â nur um einen Berg von Geschenken für sie vorzufinden, der fast so hoch war wie der Christbaum. Also, wenn sie über die Stränge geschlagen hatte, dann waren ihm, um im Bild zu bleiben, komplett und auf Nimmerwiedersehen die Pferde durchgegangen. Sie war beide Feiertage damit beschäftigt, alles auszupacken, und plagte sich bis Neujahr mit einem schlechten Gewissen.
Nach dieser Episode hatten sie sich darauf verständigt, sich in Zukunft nur noch je zwei Geschenke zu machen. Nicht mehr und nicht weniger. Basta.
Seither hatte er ihr etwas Duftendes und etwas Glitzerndes geschenkt. Das Duftende war in der Regel ein Parfum, das Glitzernde mal Schmuck, mal Klamotten.
Als Zugabe kaufte er ihr jedes Jahr ein Hermès-Tuch.
Jedes einzelne Jahr. Keine Ausnahme.
Eigentlich ein seltsames Wiederholungsgeschenk, weil sie die Dinger nämlich nie trug.
Sie waren nicht wirklich ihr Stil.
Jeans, Converse, T-Shirt und ein Hermès-Tuch? Nicht gerade ein konsequentes Statement, trotzdem war Alice fasziniert. Sie verglich sie mit der Aktzeichnung, die sie ihm zum ersten gemeinsamen Weihnachtsfest geschenkt hatte: Sie waren so farbenfroh, eklektisch und ungewöhnlich. Und jedes einzelne war anders als das vorige. Inzwischen hatte sie fünf Stück davon. Sie lagen alle noch unberührt in ihren charakteristischen orangefarbenen Schachteln.
Dieses Jahr hatte Alice ganz besonders viel Zeit und Geld investiert, bis sie das richtige Geschenk für Nathan gefunden hatte.
Wie jedes Jahr.
Was blieb ihr anderes übrig bei einem
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