Kann ich den umtauschen?
Glas Rotwein ein.
Julian hatte ja recht. Er wollte es ihm gegenüber nur nicht zugeben ⦠Unter anderen Umständen ⦠Wenn sie nicht in einer Beziehung wäre, die nach allem, was er anfangs erfahren hatte, stabil und langjährig war â¦
Aber jetzt, da er sie besser kennengelernt und auch mit Menschen gesprochen hatte, die sie gut kannten, gewann er langsam den Eindruck, dass die Welt in Whattelly Hall nicht ganz so heil war. Dass das äuÃerliche Idyll, das wunderbare Postkartenmotiv, im Inneren alles andere als perfekt war.
Und er hatte ein schlechtes Gewissen, weil ihn das freute.
Wenn man jemanden gern hatte, durfte man sich doch nicht darüber freuen, dass es ihm schlecht ging.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Nathan kam erst am folgenden Samstag ziemlich spät abends wieder nach Hause. Zum ersten Mal überhaupt sprang Alice nicht sofort aus dem Bett, um ihren Liebsten wohlduftend und mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen zu begrüÃen. Sie rollte sich unter der Decke zusammen und tat, als würde sie tief und fest schlafen.
Da Nathan unter der Woche stets um halb sieben aufstehen musste, schlief er sonntags gerne aus, so auch diesen Sonntag. Alice war meistens schon vor ihm wach, und üblicherweise lag sie dann einfach neben ihm, las und wartete darauf, dass er sich rührte.
Heute aber hatte sie ihr Buch fertig gelesen, und da die Sonne ihre goldenen Strahlen durch die Ritze zwischen den schweren Brokatvorhängen schickte, beschloss sie, dass der Tag einfach zu schön war, um im Bett zu bleiben.
Sie betrachtete Nathan, wie er auf dem Bauch schlief, die Decke neben sich, sodass sein breiter Rücken und sein knackiger Hintern nackt dalagen. Er sah aus wie eine Skulptur. Vielleicht wie ein Rodin im Ruhezustand.
Normalerweise hätte sie es trotz ihres Drangs, nach drauÃen zu kommen, nicht über sich gebracht, ihn so daliegen zu lassen. Aber heute konnte sie es nicht über sich bringen, in diesem dunklen, muffigen Zimmer zu bleiben, während drauÃen ein neuer, sonniger Tag anbrach.
Leise stand sie auf und ging ins Badezimmer, um zu duschen.
Er schlief immer noch, als sie wiederkam, darum zog sie sich schnell an und ging nach unten.
Bella war in der Küche und bearbeitete ein Stück Speck mit einer riesigen Schere. Sie sah auf, nickte Alice zur BegrüÃung knapp zu und sagte nichts. Alice holte sich einen Korb, packte Obst und Croissants ein, ein Glas ihrer eigenen Erdbeer-Sekt-Konfitüre, eine Packung Orangensaft und zwei Plastikbecher und verkrümelte sich. Sie wanderte durch die Parklandschaft, durch den Lärchenwald nach Süden und dann auf der StraÃe in Richtung Dorf.
Er war dort, wo sie gehofft hatte.
»Morgen, Miss Alice.«
Der alte Evan Sweetly kam auf das Gatter der unteren Weide zugelaufen und sah aus, als sei er einem Katastrophenfilm entsprungen.
Er pachtete schon seit Ewigkeiten einen schmalen Streifen des zum Anwesen gehörenden Obstgartens, wo er wunderschöne Blumen und Bienen züchtete. Genau genommen pachtete er das Land aber nicht â Alices Vater William hatte es ihm einfach so überlassen, und als Nathan Whattelly Hall kaufte, war eine von Alices wenigen Bitten gewesen, dass er diese Absprache mit Evan beibehalten möge.
Heute war er ganz offensichtlich dazu entschlossen, sich um seine Bienen zu kümmern: Er trug den groÃen Hut mit dem Schutznetz, Handschuhe und ein Rauchgerät.
Alice kannte ihn und seine Familie, solange sie denken konnte, und hatte gehofft, ihn drauÃen auf der Wiese anzutreffen. Seine Frau Mary war im Vorjahr gestorben, und Alice hatte sich selbst vorgenommen, hin und wieder nach ihm zu sehen.
»Morgen, Evan. Ich habe Frühstück dabei. Haben Sie Appetit?«
»Klingt wunderbar, Liebes. Sie sind ein Engel. Ich sehe nur noch schnell nach meinen Brummern, dann bin ich bei Ihnen.«
Alice setzte sich und wartete auf ihn.
Ein idyllisches Plätzchen. Den Wind abhaltende hohe Hecken zu beiden Seiten. Der vom Dorf her rauschende Bach, der die sattgrüne Wiese mit ihren alten, knorrigen, aber immer noch viele Früchte tragenden und im Sommer Schatten spendenden Apfelbäumen durchschnitt.
Alice sah Evan dabei zu, wie er systematisch nach seinen Bienen sah. Behutsam hob er die Rahmen aus jedem Stock und betrachtete sie sich eingehend. Er überprüfte sie auf Milben und suchte die Königinnen.
Dann setzte er sich zu ihr, und
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