Kann ich dir jemals widerstehen?
zumal auf beengtem Raum, ohne Fernseher, ohne Radio und
andere Ablenkungen.
"Möchtest
du nicht deine Kleidung aus der Reisetasche nehmen und zum Trocknen
aufhängen?" schlug sie vor, denn in Charlies Sachen schien
Webster sich nicht sehr wohl zu fühlen. "Ich habe eine
Wäscheleine in der Ecke gespannt."
Ungeschickt
machte er sich daran, die feuchten Sachen mit Hilfe von
Wäscheklammern und Kleiderbügeln aufzuhängen. Zu Hause
hatte er bestimmt eine Haushälterin. Tonya bekam fast Mitleid,
aber auf keinen Fall würde sie seine privaten Sachen anrühren.
Die waren ihr einfach zu … privat. Und sie war keine
Haushälterin. Allerdings trug sie seine Stiefel, die bestimmt
ein Vermögen gekostet hatten, zum Ofen, damit sie trocknen
konnten. Natürlich nur, weil sie es hasste, wenn etwas Edles
verhunzt wurde …
"Gibt
es hier keine Spielkarten?" erkundigte Webster sich, nachdem er
sich ziemlich lustlos mit seinen Kleidern befasst hatte.
"Ich
glaube, ja." Sie suchte in einer Schublade und fand tatsächlich
einen abgegriffenen Satz Karten. Sie warf sie auf den Tisch. "Hier.
Schlag dich selbst."
"Wenn
ich einen Hammer hätte, würde ich das vermutlich tun."
Sie
wandte ihm den Rücken zu, um ihr Lächeln zu verbergen.
"Sieh es doch als Chance, zu dir selbst zu finden. Es gibt
genügend Leute, die ein Heidengeld für Selbstfindungskurse
und solches Zeug ausgeben."
Webster
seufzte frustriert und griff nach den Karten. "Was für ein
entsetzlicher Gedanke! Das ist garantiert großer Humbug."
"Ja,
in den meisten Fällen ist es die reinste Abzocke",
bestätigte sie und wusch das wenige Geschirr von ihrer Mahlzeit
ab – sie hatte ja früher gegessen. Webster begann
indessen, die Karten zu mischen.
"Wie
wär's mit einem kleinen Gin?"
"Tut
mir Leid, Charlie trinkt nur Whisky."
"Und
einen verflixt guten, muss ich sagen. Aber ich meinte Gin Rummy, das
Kartenspiel. Du könntest ein Vermögen gewinnen, wenn du mit
mir um Geld spielst. Beim Kartenspiel bin ich genauso schlecht wie im
Überleben in der Wildnis."
"Dann
verzichte ich lieber. Es wäre unfair, deine Lage auszunutzen",
gab sie zurück.
Webster
lächelte und mischte weiter. "Legt man bei einer Patience
sechs oder sieben Reihen aus?"
"Sieben."
"Ich
hab' doch geahnt, dass du das weißt."
Tonya
meinte, einen spöttischen Unterton herauszuhören. "Was
soll das heißen?" fragte sie mit deutlicher Schärfe.
Webster
blickte auf, sah ihre finstere Miene und hob beschwichtigend die
Hände. "Überhaupt nichts. Ich dachte nur, weil du bei
deinen Fotosafaris viel allein bist, langweilst du dich vielleicht
manchmal. Patience hilft enorm gegen Langeweile, oder?"
Sie
hörte sich seine Bemerkungen stumm an, nahm den Schürhaken
und schichtete die Holzscheite in dem gusseisernen Ofen um.
"He,
wirklich. Ich habe nichts anderes damit gemeint. Ich fragte nur aus
Neugier – was sollte ich wohl sonst gemeint haben?"
Dass
sie so uninteressant war, dass niemand mit ihr zusammen sein wollte.
Wenn ein Mann mit ihr und einem Kartenspiel irgendwo eingeschlossen
wäre, würde er sich lieber mit den Karten beschäftigen,
als mit ihr ins Bett zu gehen …
Himmel,
warum war sie plötzlich so empfindlich? Okay, sie hatte zwei
unglückliche Beziehungen hinter sich, und das hatte ihr
Selbstwertgefühl als Frau nachhaltig untergraben.
Nach
dem Fehlschlag in New York war sie wild entschlossen, Erfolg zu
haben. Darunter hatte ihr Liebesleben stark gelitten. Die beiden
lockeren Beziehungen danach waren im Sande verlaufen. Ihre
beruflichen Reisen führten sie oft über mehrere Monate ins
Ausland. Auf die Entfernung war es schwierig, einander innerlich nah
zu bleiben. Natürlich würde sie gern den Richtigen kennen
lernen, doch war ihr noch niemand begegnet, der gern die zweite Geige
spielte. Außerdem hatte sie ihre Fantasien über Webster
nie ganz aufgegeben. Noch immer übte er eine gewisse Faszination
auf sie aus.
Dennoch
mochte sie ihren Lebensstil, auch wenn sie bei ihrer vielen Arbeit
kaum jemanden treffen würde, der dieses Leben mit ihr teilen
wollte. Den Fehlschlag in New York hatte sie überwunden und das
Beste daraus gemacht. Doch an Webster Tyler hatte sie ein wenig zu
oft gedacht und mit ein wenig zu viel Wehmut.
Und
plötzlich war er hier, aus heiterem Himmel und in den
strahlenden Farben des wirklichen Lebens. Und auf einmal hinterfragte
sie ihre Einstellung. Der Mann erinnerte sie an ihre schwerste
berufliche Niederlage sowie an einen der peinlichsten Momente ihres
Lebens,
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