Kann ich dir jemals widerstehen?
"Nachdem ich im vergangenen Monat mit meinen
Fotos im australischen Outback fertig war, blieb mir noch Zeit bis zu
meinem nächsten Auftrag, und ich beschloss, hierher zu kommen."
"Und
jetzt weißt du, was die Jesups hier so faszinierte."
Sie
warf Webster einen Blick zu. Wie schön, dass er sie verstand.
"Ja, jetzt weiß ich es."
"Und
hat es sich gelohnt?" Erneut stützte er die Ellbogen auf,
das Milchglas in den Händen.
Tonya
konnte nicht umhin, seine Hände zu betrachten. Es waren keine
Arbeiterhände, doch sie waren kräftig, mit schmalen,
langgliedrigen Fingern. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie
er sie mit diesen Händen streichelte, sie an ihren intimsten
Stellen berührte. Hitze durchströmte sie, und sie spürte,
dass ihr das Blut in die Wangen schoss.
Hastig
schaute sie weg. Sie schob die Gardine ein wenig beiseite und blickte
aus dem Fenster. Es war stockdunkel, das Einzige, was sie sah, waren
die Regentropfen, die der Sturm mit unverminderter Wucht gegen die
Scheibe prasseln ließ. "Ob es sich gelohnt hat, die Bären
zu fotografieren?"
"Nein,
das einsame Leben und das Nomadentum. Fehlt dir die Stadt nicht?"
Tonya
ließ die Gardine an ihren Platz zurückfallen. Da sie sich
rastlos fühlte, ging sie zum Ofen und machte sich am Abzug zu
schaffen. Es missfiel ihr, dass Webster einen wunden Punkt bei ihr
berührt hatte. Ja, manchmal war sie einsam. Sehr sogar. Doch
darüber wollte sie gerade mit ihm nicht reden.
"Ich
bin in einer Kleinstadt aufgewachsen, die weniger als zehntausend
Einwohner hat. In Großstädten fühle ich mich nicht
sehr zu Hause", erwiderte sie ausweichend, denn ihre wahren
Gefühle mochte sie ihm nicht gestehen.
"Für
mich ist die Großstadtatmosphäre ein wahres
Lebenselixier." Webster lehnte sich zurück und kippelte mit
dem Stuhl. "An einem Ort wie diesem würde ich auf Dauer
wahnsinnig werden."
"Nun
ja …" Tonya wandte den Blick vom Ofen zu ihm. "Du
könntest Gelegenheit bekommen, das zu testen."
"Richtig."
Er kam mit dem Stuhl wieder auf den Boden. "Das dachte ich mir
fast, als der Baum auf den Wagen krachte. Ich sagte mir, wenn ich
überhaupt überlebe, werde ich wohl ein paar Tage lang hier
festsitzen. Die Straße ist völlig blockiert."
"Hast
du schon einmal einen Bobcart gefahren?"
Er
lachte. "Sind das nicht diese kleinen traktorähnlichen
Dinger?"
Mit
übertriebener Nachsicht bestätigte sie: "Genau, diese
kleinen traktorähnlichen Dinger."
"Ich
habe sie in Anzeigen in unseren Zeitschriften gesehen. Zählt das
etwa nicht? Aber wird denn nicht ein Straßenarbeitertrupp den
Weg freiräumen?"
"Es
ist keine öffentliche Straße, sondern Charlies
Privatzufahrt. Die Nachbarn helfen sich gegenseitig bei der
Instandhaltung."
"Nachbarn?"
Er fuhr fort, seine Suppe zu essen.
"Mach
dir nicht zu viele Hoffnungen. Der nächste Nachbar wohnt fünf
Meilen entfernt."
"Das
heißt also, wir beide müssen notgedrungen eine Weile
miteinander auskommen."
"Scheint
so."
"Das
tut mir aufrichtig Leid."
"Na
ja, solange du keinen Hüttenkoller bekommst, können wir es
sicher miteinander aushalten. Wir haben genug Essensvorräte für
mindestens eine Woche, und Wasser ist in der Nähe eines Sees
kein Problem."
"Es
gibt hier auch einen See?"
Tonya
zwinkerte ihm zu. "Hallo, wir sind in Minnesota, dem Land der
tausend Seen."
"Oh,
das hatte ich ganz vergessen. Das Land der tausend Seen – wo
die Männer nach Fisch riechen und aussehen wie Bären,
stimmt's?"
Sie
musste lachen. Das hatte sie oft selbst gedacht, wenn sie die
raubeinigen, aber freundlichen Männer hier sah. Die meiste Zeit
angelten sie oder gingen auf die Jagd. Mit Rasierer oder Seife kamen
sie dagegen nur selten in Berührung. "Nun ja, auf einige
trifft das schon zu."
"Und
was machst du abends so?" Webster sah sich prüfend in der
Hütte um. "Langweilst du dich denn hier nicht entsetzlich?"
"Ich
lese oder entwickle meine Filme. Im Bücherregal gibt es auch ein
paar Puzzles."
"Sonst
nichts?"
Leicht
gereizt zuckte sie die Schultern. "Sonst nichts."
"Ein
echter Männertraum."
"Das
ist wohl ironisch gemeint?"
"Allerdings."
Er stand auf, reckte sich und begann, in der Hütte
herumzuwandern wie ein Tiger im Käfig. "An E-Mail ist
vermutlich nicht zu denken."
Sie
würdigte ihn keiner Antwort.
"Das
habe ich mir gedacht."
Sie
versuchte, Webster zu ignorieren, während er sich unruhig
umschaute, Dinge in die Hand nahm, sich die Hände am Ofen
wärmte. Dabei war es nicht leicht, diesen aufregenden Mann zu
ignorieren,
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