Kann ich gleich zurueckrufen
Kollegin, dass besagte Politikerin ganz schön faul sei, wenn sie nach fünf nicht mehr arbeiten wolle. Der habe ich dann einen Satz des Firmenchefs vorgesetzt, der eine Frauenquote für seine Führungsetage als erstes deutsches DAX -Unternehmen eingeführt hat: »Vielleicht sollten die Männer einfach mal diesen Quatsch lassen.« 7
Weder der Bekannte noch die Kollegin haben verstanden, um was es der Politikerin geht. Nämlich um ein Arbeitsklima, in dem Zeit mit der Familie etwas ist, das wertgeschätzt wird. Das nicht einfach beiseitegeschoben wird, weil Termine, die den Arbeitgeber betreffen, vorrangig sind. Der Bekannte hat keine Kinder – wahrscheinlich hat er sich deswegen über die Politikerin aufgeregt. Weil es ihm so vorkommt, als würde ihm etwas weggenommen von seinem Stück des Staatskuchens, wenn Menschen Elternzeit nehmen. Und Elterngeld erhalten. Im Geheimen fände er vielleicht sogar eine Ausgleichszahlung angebracht, für Menschen, die keine Kinder haben, aber trotzdem gerne mal eine vom Staat finanzierte Auszeit nehmen möchten. Ich glaube auch, er hat nicht begriffen, dass Menschen kein Gehalt beziehen, während sie Elterngeld erhalten. Dass das Elterngeld keineswegs so hoch ist wie das Gehalt, sondern nur 65 bis 67 Prozent davon. Und dass man in der Zeit, in der man das Elterngeld als Lohnersatz bekommt, nicht im Urlaub ist, sondern sich Vollzeit um ein Kind kümmert.
Der Bekannte kennt das Wort »Solidarität« nicht, da bin ich mir sicher. Ähnlich wie die Kollegin, die die Politikerin als faul bezeichnet hat. Sie macht regelmäßig Überstunden. Ihr Engagement hat aber mehr mit ihrem Zeitmanagement als mit ihrem Fleiß zu tun: Sie steht mindestens einmal pro Stunde auf dem Balkon und raucht; holt sich rund acht Tassen Kaffee pro Tag aus der Teeküche und freut sich über jeden, den sie dabei in ein kleines Gespräch verwickeln kann. Ihre Mittagspause beginnt sie pünktlich und kombiniert sie gerne mit einem anschließenden Work-out im Pilates-Studio gegenüber. An sich ist es mir egal, wie die Kollegin es schafft, ihre Arbeit zu erledigen. Mir stinkt nur, dass sie ihr Modell als maßgebend nimmt.
Mein Handy piept. Bin um halb fünf da, schreibt die Kindergartenmutter. Mein Sohn greift nach meiner Hand. »Du sollst nicht telefonieren«, sagt er leise. Ich lege meine Arme um ihn. »Ist gut«, sage ich.
Ich glaube, viele wissen gar nicht, was für ein Aufwand es ist, Elterngeld oder Mutterschaftsgeld zu beantragen. Ich habe beides gemacht. Und musste beide Male warten und streiten und wieder warten. Habe mich gefühlt wie meine Mutter, die auch mit der Krankenkasse um Geld gestritten hat, nachdem mein Vater krank geworden war. Zuerst habe ich mich bei meiner Krankenkasse um Mutterschaftsgeld beworben. 8 Eine sogenannte besondere Leistung der gesetzlichen Krankenkasse für mich als berufstätige Frau: Für jeden Tag, den ich aufgrund der Schutzfrist – sechs Wochen vor der Entbindung und acht Wochen danach – nicht arbeiten konnte, sollte ich 13,00 Euro erhalten. Die Differenz zwischen diesen 13,00 Euro und meinem durchschnittlichen Nettogehalt der letzten drei Monate vor der Schutzfrist sollte mein Arbeitgeber bezahlen.
Der errechnete Geburtstermin meines Sohnes war der 10. März. Demnach begann meine Schutzfrist am 27. Januar und endete am 5. Mai. Ich habe das Attest über meinen mutmaßlichen Entbindungstermin wie von der Krankenkasse verlangt eine Woche vor Beginn der Schutzfrist bei meiner Frauenärztin geholt und an meine Krankenkasse geschickt. Nach der Entbindung habe ich noch eine Geburtsurkunde nachgesandt. Das Mutterschaftsgeld habe ich dann im Mai erhalten, am Ende der Schutzfrist.
Zwischen März und Mai habe ich immer wieder bei der Krankenkasse nachgefragt, telefonisch, per Mail und per Brief, wo denn nun meine besondere Leistung bleibe und bekam zu hören »Der Vorgang ist in Bearbeitung«, »Es fehlen Unterlagen vom Arbeitgeber«, »Eine andere Stelle hat noch eine Nachfrage« usw. Ich wurde hingehalten. Und gleichzeitig mit anderen Informationen und Angeboten versorgt, etwa mit dem Hinweis, baldmöglichst zur Rückbildung zu gehen. Die Krankenkasse versprach, alle Kosten vollständig zu übernehmen. Ich habe dann einen entsprechenden Kurs besucht und die Quittung eingereicht – eine weitere Geldstreitbaustelle. Zuerst schrieb man mir auf meine Nachfrage, die Kosten würden nur übernommen, wenn ich ein Attest vorlege, das bestätige, ein Rückbildungskurs sei für mich
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