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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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heute egal ist – nächste Woche geht es mit der Krippe los. Ich mache die Eingewöhnung«, sagt der Mann. Und klingt ein bisschen stolz.
    Immer wenn ich mit jemanden über Kinderkrippen spreche, fällt mir eine Elterninitiative ein, die ich auf der Suche nach einem Platz für meinen Sohn kennenlernte. Es gab da eine Kasse: Für jede Minute, die man sein Kind zu früh oder zu spät abholte oder brachte, sollte man einen Euro zahlen. Absurd war nur, dass ich zum Tag der offenen Tür, obwohl auf die Minute pünktlich erschienen, fünf Minuten vor der geschlossenen Tür warten musste.
    »Gratulation«, sage ich zu dem Mann. Und nach der Krippe geht es weiter mit der Suche nach einem Kindergartenplatz. Das denke ich, aber ich sage es nicht. Der Mann ist glücklich, endlich angekommen zu sein im Land der funktionierenden Kinderbetreuung. Da muss ich ihm nicht seine Illusionen rauben.
    Das Highlight meiner Kindergartenplatzsuche war der Besuch eines städtischen Kindergartens. Die Leitung ließ mich das Antragsformular ausfüllen, sah es kurz durch und überraschte mich mit der Mitteilung, dass ich in jedem Fall mit einer Absage rechnen müsse. »Aber stecken Sie nicht den Kopf in den Sand«, sagte sie dann. »Mobilisieren Sie lieber die Großmütter Ihres Kindes. Damit die die Kindergartenfunktion übernehmen.« Davon war ich noch mehr überrascht. Die Frau überraschte mich dann ein drittes Mal, als sie mich zur Tür brachte. Sie sagte: »Beschweren Sie sich bei einer Absage bitte nicht beim Bürgermeister. Das bringt nämlich nichts, außer Ärger für mich.«
    Ich habe nichts gesagt. Nicht mal mehr auf Wiedersehen. Wahrscheinlich war ich ein leichtes Opfer für sie. Denn sie haben Macht, die Menschen, die darüber entscheiden, ob sie ein Kind betreuen oder nicht. Monate später kam dann die Absage. Unsere »soziale Dringlichkeit«, also unsere Lebensumstände, wurden so bewertet, dass wir wahrscheinlich erst nach den Schulabschlussprüfungen unseres Sohnes mit einem Platz berücksichtigt worden wären.
    Um 9:55 Uhr ruft die Sprechstundenhilfe den Namen meines Sohnes auf. Ich verabschiede mich von dem Mann und gehe zu meinem Sohn: »Wir gehen jetzt zum Herrn Doktor.«
    Der Arzt hört den Kleinen ab, schaut ihm in Hals, Ohren und Augen. Misst seine Temperatur, 38,5 °C. Empfiehlt Ruhe, leichte Kost und viel Flüssigkeit. Er meint, dass es ihm sicher bald besser gehen wird. »Brauchen Sie ein Attest für die Arbeit?«, fragt er nach der Untersuchung. Ich nicke. Er macht eine Notiz im Krankenblatt und verabschiedet sich. Beim Rausgehen gibt mir die Sprechstundenhilfe das Attest.
    Das Fahrrad steht vor der Tür. Zum Glück – mir fällt auf, dass ich in der Eile vergessen habe, abzusperren. Ich setze meinen Sohn auf den Fahrradsitz und ziehe ihm den Fahrradhelm an. »Lust auf eine Brezel?« »Jaaa!«, ruft er. Also halte ich auf dem Heimweg an einer Bäckerei an. Der Kleine fängt noch auf dem Fahrradsitz an zu essen – kein Wunder, eine halbe Tasse Kakao hält auch nicht ewig vor.
    Zu Hause angekommen koche ich einen Tee. Mein Sohn und ich setzen uns im Kinderzimmer auf den Boden. Wir bauen einen großen Turm aus Lego, mit Hubschrauberlandeplatz und kleinem Tiergarten. Dann baue ich noch einen Hubschrauber und einen Elefanten – auf Wunsch. Schließlich wirft mein Sohn den Turm um und räumt dann mit meiner Unterstützung die Bausteine wieder in die Kiste. Gegen halb zwölf koche ich eine Nudelsuppe, die er hungrig isst. Er liebt Nudelsuppe. Dann bringe ich ihn ins Bett. Er schläft sofort ein.
    Ich räume die Küche auf und gehe ins Bad. Nach einer kleinen Katzenwäsche wechsle ich mein verschwitztes Shirt und fülle dann eine Waschmaschine. Es sind nicht nur die sandigen, vollgepinkelten oder verkleckerten Kindersachen, die die Höhe des Wäschebergs bestimmen: Es sind auch meine eigenen Kleidungsstücke, die verschwitzt, bekleckert oder voller Sand sind.
    Die Waschmaschine läuft. Ich suche mein Handy. Es ist immer noch in meiner Tasche – und es ist immer noch lautlos gestellt. Natürlich habe ich Anrufe verpasst: zwei von der jungen Kollegin, einen von meinem Mann und einen von meiner Mutter. Auf der Mailbox ist eine Nachricht von der Sekretärin meines Vorgesetzten. Ihr Anruf kam um 10:35 Uhr, ich soll mich bitte melden, um die Präsentation zu besprechen, die ich gestern abgegeben habe.
    Ich rufe zuerst meinen Mann an. Er will wissen, wie es unserem Sohn geht und mir und wie es beim Arzt war. Danach rufe ich

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