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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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Entscheidungen, kritisieren mich willkürlich als Rabenmutter oder als Latte-macchiato-Mutter.
    Man sollte meinen, die Menschen stünden Kindern positiv gegenüber. Kinder sind unser wertvollstes Gut, sie sind die Zukunft, retten die Renten und pflegen die Alten hoffentlich voller Hingabe. Geben das zurück, was sie bekommen haben. Sie sind ja auch so niedlich. Doch diese positive Einstellung ist nur die Theorie. Geht es um die Realität, sind die guten Wünsche schnell dahin. In den wenigsten Restaurants freut man sich, wenn jemand mit seinem Kind hereinkommt. Kinder nerven oft. Sie werfen Gläser um, wollen nur Pommes frites essen, verkleckern die Tischdecke mit Ketchup oder stören mit ihrer bloßen Anwesenheit die anderen Gäste. Beim Reisen ist das ähnlich, ob in der Bahn oder im Flugzeug.
    Ich melde mich beim Stichwort »Apfelkuchen«. Die Leitung ist immer noch dabei, den Tag der offenen Tür im Kindergarten zu organisieren, und sie braucht ein paar Elternspenden für das Büfett. Ich ziehe das Handy raus. Schon 19:55 Uhr, zwei Tagesordnungspunkte stehen noch bevor, und dann kommt die Diskussion um den Streik.
    Neben mir sitzt die Mutter, die mir meine Exputzfrau Zsófia vermittelt hat. Ich beuge mich zu ihr und frage sie im Flüsterton, ob sie schon eine neue Putzfrau gefunden hat. Sie ist überrascht, verneint und fragt, warum Zsofía denn nicht mehr zu mir kommt. »Wegen ihrer Tochter«, sage ich. Die Mutter weiß von nichts, sie will nachfragen und mir Bescheid geben. Ich nicke. Und ernte einen strafenden Blick von der Leitung. Wie in der Schule – zum Glück fragt sie nicht, ob der Inhalt unseres Gesprächs für alle interessant sein könnte.
    Endlich ist die Leitung mit den Tagesordnungspunkten durch. Sie schlägt vor, eine kurze Pause zu machen und dann über den Streik am Montag zu sprechen. Ich nutze die Zeit und rufe meinen Mann an. »Kind schläft«, sagt er zur Begrüßung. »Alles in Ordnung.« Ich sage, dass noch über den Kindergartenstreik am Montag gesprochen wird. Und dass die Putzfrau gekündigt hat. Aber nur bei uns, nicht bei der anderen Kindergartenmutter. Er ist überrascht, beruhigt mich aber. »Wir finden eine andere«, sagt er. Dann muss ich wieder auf meinen kleinen Stuhl zurück. Ein paar Eltern sind gegangen. Unter ihnen der Vater im Designeranzug, der sich so über den Streik aufgeregt hat.
    Die Leitung bittet noch einmal um Aufmerksamkeit. Als alle Eltern auf den kleinen Stühlen sitzen und sie erwartungsvoll ansehen, erklärt sie die Hintergründe des Streiks: Es geht um höhere Löhne für die Erziehungsarbeit, aber auch um bessere Arbeitsbedingungen. »Ihnen ist sicher klar, dass sich Ausbildung, Qualifikation, aber auch körperliche und geistige Verfassung des Personals direkt auf die Qualität der Kinderbetreuung auswirken. 19 Es sind Ihre Kinder, die wir betreuen. Wir möchten das so gut wie irgend möglich machen. Schließlich haben wir uns auf eine Erziehungspartnerschaft eingelassen.« 20
    Ein paar Mütter räuspern sich, eine klatscht leise in die Hände. Andere stimmen mit ein, ich klatsche auch. Natürlich will ich, dass mein Kind so gut wie möglich betreut wird. Und ich will nicht, dass dabei Leib und Seele des Betreuungspersonals auf der Strecke bleiben.
    Der Vater der Zwillinge meldet sich. Natürlich. Er plustert sich auf, meint, er kann ja verstehen, was die Erzieherinnen auf die Straße treibt. Aber er sieht nicht ein, dass das Problem auf seinem Rücken ausgetragen wird. Weil er ja nun wirklich nichts für Arbeitsbedingungen oder Tarife kann. Zustimmende Geräusche von einigen Eltern, ich unterdrücke ein Kopfschütteln. Ein dummer Kommentar! Als wäre alles nur die Schuld eines Politikers, einer Partei oder einer Bundesregierung, die vielleicht längst abgewählt ist. Es sind doch auch wir, die Menschen, die Kinderbetreuung als weniger wertvoll erachten (ist ja eigentlich ein Instinktjob, den Mütter auch ohne Ausbildung daheim gut machen können – haha!) als zum Beispiel Finanzmanagement.
    Die Leitung lächelt. Ich bin sicher, sie hat damit gerechnet. Sie wendet sich direkt an den Vater. »Das ist der erste Streiktag in diesem Kindergarten in diesem Jahr. Rein arbeitsrechtlich kann Ihnen nichts passieren, wenn Sie aufgrund eines Streiks Ihr Kind zu Hause betreuen müssen. 21 Gerne stelle ich Ihnen auch noch eine Bescheinigung für Ihren Arbeitgeber aus, um zu bestätigen, dass wir wirklich streiken.« Nun schaut sie in die Runde. »Rein menschlich bin

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