Kann ich gleich zurueckrufen
ich sicher, dass Sie von der Unterstützung unseres Streiks nur profitieren können.« Sie trinkt einen Schluck Wasser. »Der Streik endet am Montag um 17:00 Uhr. Am Dienstag werden wir Ihre Kinder wie gewohnt hier im Kindergarten betreuen. Gibt es noch weitere Fragen?« Niemand sagt mehr etwas.
Ich glaube, einige Eltern schämen sich. Weil sie ihre individuelle, gewohnte Bequemlichkeit über das Wohl einer ganzen Berufsgruppe stellen wollten. Die meisten stehen auf und verabschieden sich schnell. Mir ist es ein Bedürfnis, der Leitung die Hand zu schütteln. »Ich finde, Sie haben wirklich gute Sachen gesagt.« Und diesem Blödmann angemessen den Kopf gewaschen, denke ich, sage es aber nicht. Die Leitung bedankt sich und sagt: »Sie können auch mit Ihrem Arbeitgeber reden, um eine individuelle Lösung zu finden. Meistens ist es kein Problem, ein Kind für einen Tag mit zur Arbeit zu nehmen. Sofern dort keine Gefahren lauern.« Dann wünscht sie mir einen schönen Abend.
Mir fällt auf, dass die Leitung mit keinem Wort die Möglichkeit angesprochen hat, dass man am Montag einen Urlaubstag nehmen könnte. Wahrscheinlich läuft es der Streikethik entgegen, von jemand anderem einen Urlaubstag einzufordern, wenn man gleichzeitig für mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit auf die Straße geht. Ich hätte auch keinen Urlaubstag mehr zur Verfügung. Von den einunddreißig Tagen, die mir zustehen, habe ich fünf Anfang Januar genommen. Acht waren es an Ostern, als wir zwei Wochen in Südtirol verbracht haben. Ein Tag ist für ein längeres Wochenende im Juni gedacht, da sind wir zu einer Hochzeit in Frankreich eingeladen. Elf Tage brauche ich im Sommer – Familienurlaub auf Elba. Bleiben sechs Tage für Weihnachten. Da komme ich auch nicht drumrum, der Kindergarten schließt am 22. Dezember und öffnet erst am 7. Januar wieder.
20:50 Uhr. Ich steige auf mein Fahrrad und fahre los. Die Gefahren, die an meinem Arbeitsplatz lauern, haben nichts mit scharfen Werkzeugen, hohen Temperaturen oder wackligen Gerüsten zu tun, sondern mit dem Wesen der Menschen, die dort beschäftigt sind. Egoismus, Engstirnigkeit, Rücksichtslosigkeit. Mir fällt das Interview mit den Musikerinnen ein, das ich gestern gelesen habe. Eine Violinistin erzählte, sie habe ihre Kinder oft auf Konzertreisen mitgenommen, wenn weder Großmutter noch Kinderfrau Zeit hatten. Und es sei immer ein großes Vergnügen gewesen. Ich beneide sie richtiggehend.
Ich bin froh, zu Hause anzukommen. Ich stelle das Fahrrad im Hof ab und gehe in unsere Wohnung. Mein Mann sitzt auf dem Sofa und liest Zeitung. »Da bist du ja«, sagt er. »Feierabend«, sage ich. »Hier gibt’s nichts Neues«, sagt er. »Und bei dir?« Ich fasse die offiziellen Tagesordnungspunkte knapp zusammen: »Termine, Termine, Termine und dann noch viel Lärm um den Kindergartenstreik am Montag.« Er sieht mich fragend an. Ich erkläre, dass zwei Väter sehr wenig Verständnis dafür zeigten, dass unser Kindergartenpersonal für mehr Rechte auf die Straße geht. »Ich glaube, es geht da um Besitzstandswahrung«, sage ich. »Die meinen, sie haben mit dem Vertrag und der pünktlichen Überweisung aller Gebühren einen Platz für ihre Kinder gekauft, der immer verfügbar ist. So was wie ein Streik ist dabei nicht vorgesehen. Allenfalls würden sie Verständnis haben für höhere Gewalt – wenn der Blitz in die Kita einschlägt oder ein Satellit drauffällt, wären sie wahrscheinlich einverstanden, ihre Kinder mal nicht dort abzugeben.« Mein Mann lacht. Er bedauert, nicht dabei gewesen zu sein, dass er nicht als Verräter in den eigenen Reihen entlarvt wurde, als bekennender Erzieherinnenversteher.
»Ich habe gerade was Unterhaltsames über US -amerikanische Politikerinnen gelesen«, sagt er dann. 22 »Gerade auf der erzkonservativen Seite machen neue Mütter mobil. Zuerst kaufen sie ihren Teenagersöhnen Gewehre, dann ziehen sie gemeinsam mit ihnen in den Wahlkampf. Ihr Motto: Wer eine Familie mit fünf, sechs Kindern managen kann, kann auch einen Bundesstaat, ja, sogar ein ganzes Land managen.«
Das Kind als Qualifikationsgarantie. Mal ein neuer Aspekt in der Vereinbarkeitsdiskussion. Und das nimmt den Leuten, die berufstätige Mütter mit Fragen nerven wie »Warum hast du dir denn überhaupt ein Kind angeschafft, wenn du es so schnell wieder loswerden willst?«, den Wind aus den Segeln. Diese Frage habe ich auch gehört, wenn ich erzählt habe, dass ich ein Jahr nach der Geburt meines Sohnes
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