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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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unmittelbaren Erfolg von Konferenzen im Büroalltag glaube: Der Jour fixe ist wichtig. Weil mein Vorgesetzter will, dass dieser Termin wichtig ist.
    Es gibt unter den jüngeren Kolleginnen einige, die sogar ihren Urlaub für diesen Termin unterbrechen. Eine Frau aus der IT -Abteilung mit einer Viertagewoche kommt jeden Freitag nur dafür rein. An ihrem freien Tag! Vor ein paar Wochen kam sie sogar mit einer bösen Bronchitis. Sie war wirklich fertig, hatte Schweißperlen auf der Stirn und war sehr blass. Sie hat den Jour fixe durchgestanden. Erst am Ende bekam sie einen schlimmen Hustenanfall, wahrscheinlich, weil sich die Anspannung bei ihr löste. Und der Vorgesetzte hatte nichts Besseres zu tun, als sie mit den Worten »Na, solange Sie noch stehen können, kommen Sie aber zur Arbeit« zu verabschieden.
    Ich entscheide mich für den Bus. Und hoffe auf halbwegs normalen Verkehr.
    8:51 Uhr. Ich sitze im Bus. Der Bus fährt im Schneckentempo auf eine rote Ampel zu. Ich überlege wieder. Soll ich der Sekretärin Bescheid geben, dass ich ein paar Minuten zu spät komme? Oder vielleicht der jungen Kollegin, von der ich nicht weiß, ob sie schon wieder im Büro ist? Noch drei Haltestellen. Ich rufe die Sekretärin an und sage, dass ich mich um etwa fünf Minuten verspäte. Dann rufe ich meine Assistentin an, die schon an ihrem Schreibtisch sitzt. Gerade will sie zum Jour fixe. »Ah, du bist wieder gesund. Ich bin gleich da«, sage ich hektisch. »Ja ja, bis gleich«, sagt sie. Dann fährt der Bus in eine Unterführung und biegt ab. Noch eine Haltestelle, und ich kann aussteigen und zum Bürogebäude rennen.
    Ich stelle mich an die Bustür und drücke mehrmals auf den Türöffner. Obwohl ich im Büro Bescheid gegeben habe, dass ich mich verspäte, habe ich Herzklopfen. Was auch damit zusammenhängt, dass ich aus früheren Jour-fixe-Terminen weiß, wie sarkastisch der Vorgesetzte auf Erklärungen und Entschuldigungen reagieren kann, wenn man zu spät kommt. Ganz kurz ärgere ich mich über meinen Mann: Warum muss immer ich hetzen und unser Kind in den Kindergarten bringen? Für ihn ist es doch viel einfacher, gemütlich im eigenen Auto, ohne diese verdammte Abhängigkeit von Busfahrplänen.
    Als der Bus hält, ist es 9:07 Uhr. Vor mir steigt eine Frau mit einem Kinderwagen aus, die wenig Übung mit Bustüren und gehetzten Mitreisenden hat. Ich zwinge mich, nicht zu drängeln, springe hinter ihr aus dem Bus, ignoriere die rote Ampel und laufe über die Straße zum Bürohaus. Drücke nicht nur einmal auf den Nach-oben-Knopf, sondern fünfmal. Mit mir wartet ein junger Mann, dem ich kurz zunicke. Der Aufzug kommt, ich steige ein. Kurzer Zwischenstopp im neunten Stockwerk, der Mann steigt aus, Weiterfahrt, dann bin ich oben. Schnell in mein Büro, Tasche auf den Tisch, Jacke aus. Ich bin verschwitzt – natürlich! Ich schnappe mir die Mappe mit der veränderten Präsentation, die ich gestern Nachmittag fertig gemacht habe. Und gehe zum Zimmer meines Chefs. 9:10 Uhr. Ich versuche, ruhig zu atmen, was mir nach der ganzen Rennerei schwerfällt. Dann klopfe ich an und öffne die Tür.
    Alle sitzen bereits am großen Konferenztisch: die ältere Grafikerin, meine Assistentin, die Sekretärin unseres Vorgesetzen und einige andere. Der Vorgesetzte spricht. Als ich eintrete, unterbricht er sich und sieht mich an. »Ah, Sie sind auch schon da. Da ist wohl wieder ein Kind krank«, sagt er in einem betont lustigen Ton. »Entschuldigen Sie bitte die Verspätung«, sage ich. »Und nein, niemand ist krank.« Ich will nicht über Stöcke und Busse, über Verkehrsstaus, Ampeln und das Warten auf den Aufzug sprechen. Und hoffe, mein Vorgesetzter akzeptiert das. Er akzeptiert es. »Dann sind wir also vollzählig und können anfangen.«
    Diese Woche gibt es nichts Neues. Kleinere Projekte werden vorgestellt und daran geknüpfte Aufgaben verteilt. Die frisch gedruckte Broschüre macht die Runde, alle sind zufrieden mit dem Ergebnis. Der Vorgesetzte nickt mir anerkennend zu – offenbar hat er vergessen, dass meine Assistentin auch an der Fertigstellung beteiligt war. Als ich dann den neuen Entwurf der Präsentation zeige, gibt es Getuschel. »Ist das für uns alle interessant?«, fragt der Vorgesetzte. Dieselbe Situation wie gestern Abend auf dem Elternabend. Er scheint jedoch seine Machtposition mehr zu genießen als die Leitung des Kindergartens, die die Flüsternden nur böse angeschaut hat.
    Die Kollegin, die der Grafikerin etwas zugeflüstert

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