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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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ursprünglichen Preis, ohne Extrastunden.
    Ich bin zufrieden. Noch ein Erfolgserlebnis.
    Auf dem Rückweg zu meinem Büro finde ich mich plötzlich ziemlich unsympathisch. Nicht weil ich hart bleiben kann in Verhandlungen. Sondern weil ich wie ein Fähnchen im Wind meines Vorgesetzten flattere. Erhalte ich Lob von ihm, freue ich mich und sehe Sinn in meiner Arbeit. Tadelt er mich und ist unzufrieden mit meinen Leistungen, versinke ich in ein tiefes Loch und hinterfrage meine Fähigkeiten. Wie ein Schulmädchen, das in ihrem Heft Fleißsternchen vom Lehrer sammelt. Und am liebsten ein neues Heft beginnen möchte, wenn einmal ein »Das kannst du besser« unter einer Hausaufgabe steht.
    Macht man so Karriere? Und will ich das?
    Ich frage mich das ausnahmsweise ganz unabhängig von meiner Lebenssituation. Ja, ich möchte Verantwortung übernehmen. Ich möchte eigenständig Entscheidungen fällen können. Aber ich möchte mich nicht verstellen müssen. Wenn das eine Voraussetzung für beruflichen Erfolg ist, glaube ich nicht an mich als Karrierefrau. Weil mir diese Rolle so zuwider ist. Weil sie nicht selbstbestimmt ist. Weil ich wie eine Marionette bin, eine neben vielen anderen aus dem Fundus des Puppenspielers, meines Vorgesetzten. Er schreibt das Drehbuch, zieht die Fäden. Ich lasse mich von ihm führen und lasse zu, dass er durch mich spricht. Ich übernehme sogar seine Formulierungen – »altbacken« und »der Wurm drin«, nicht zu vergessen das »Weißbier zum Fisch«. Ich ekle mich vor mir selbst und gehe in den Waschraum.
    Während ich meinen Mund ausspüle und meine Hände wasche, denke ich an meine Unizeit. Wie viele idealistische Visionen ich hatte, was ich alles zu verstehen glaubte und verbessern wollte. Heute habe ich es mir in einem Luxusjob bequem gemacht, mit einem gemütlichen Büro, das ich mit einer netten Kollegin teile, den familienfreundlichen Arbeitszeiten, Urlaubstagen und Krankentagen. Und dass das Lob meines Vorgesetzten für mich das einzig Sinngebende neben dem festen Monatsgehalt ist, das ist wirklich jämmerlich. Ein Trost ist allerdings, dass ich nicht die Einzige bin, der es so geht.
    Ich verlasse den Waschraum und drücke auf den Nach-oben-Knopf. Gerade stört es mich nicht zu warten, denn ich habe es nicht eilig, an meinen Schreibtisch zurückzukommen. Welchen Sinn hat diese ganze Hetzerei?, frage ich mich.
    Ich glaube, dass viele Frauen spätestens mit der Geburt eines Kindes an diese Sinnfrage stoßen. Einerseits wird der Weg nach oben, der für Frauen sowieso ziemlich schwierig ist, durch das Handicap Kind noch mal schwieriger. In meiner Firma gibt es zehn Vorstandsposten, einen besetzt eine Frau – ein guter Schnitt für Deutschland, rein statistisch gesehen, aber natürlich ein Armutszeugnis für die jahrzehntelangen Bemühungen um Gleichberechtigung in der Arbeitswelt. Die Vorstandsfrau hat keine Kinder, ist unverheiratet, promovierte Juristin und ein klassischer Workaholic.
    Eine Frau als Teilzeitvorstand, das ist in meiner Firma undenkbar. Selbst als Projektleiterin muss man dem Büro eher fünfzig als vierzig Stunden pro Woche zur Verfügung stehen. Deshalb ist die Frage nach Kind oder Karriere in diesem Haus eine klare Entweder-oder-Entscheidung. Und aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen: Wer so viel arbeitet, fragt auch nicht mehr nach dem Sinn dahinter. Erstaunlich eigentlich, dass ich überhaupt ein Kind bekommen habe. Dass ich ausgestiegen bin, wenigstens für kurze Zeit, aus dieser Mühle. Hätte ich nicht fest an meinen Mann und mich und unsere Partnerschaft geglaubt, würde ich wahrscheinlich immer noch so viel arbeiten. Doch ich hatte das Gefühl, es müsse da noch etwas geben, etwas ganz anderes. Ich war einfach neugierig. Über Sinn und Nichtsinn meiner Arbeit habe ich damals gar nicht so viel nachgedacht.
    Heute ist mir klar, dass im Vergleich mit dem Mutter-Kind-Leben die Sinnfrage im Büro ziemlich ernüchternd ist: Die meisten Dinge, die ich für den Vorgesetzten mache, sind mir scheißegal. Sogar das Geld, das ich dabei verdiene, interessiert mich nicht wirklich. Ganz anders hat mir das Leben mit meinem Kind sofort, vom ersten Moment an, Sinn gegeben, existentiellen Sinn: Mein Sohn braucht mich. Eigentlich immer – zumindest, solange er klein ist. Und außerdem brauche ich meinen Sohn. Richtiges Glück empfinde ich nur, wenn ich mit ihm zusammen bin. Selbst wenn ich gestresst bin, sind es oft ganz kurze Augenblicke, die mir Kraft geben, etwa, wenn der

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