Kann ich gleich zurueckrufen
den Kopf und sage, ich weiß es nicht. Dann schalte ich den Fernseher aus. Wir gehen in die Küche. Zeit, zu reden. Mein Mann schenkt mir ein Glas Wein ein. Ich sitze am Tisch und will etwas sagen, aber ich weiß nicht, was. Also beginnt er. »Und wenn wir beide nur noch dreißig Stunden arbeiten? Wenn ich weniger Zeit im Büro bin und du damit mehr Zeit hast? Die du vielleicht bald auch für deine Mutter brauchst?« Jetzt weine ich. Mein Mann setzt sich neben mich und streichelt mich. Er tupft mir die Tränen ab. »So schlimm kann das doch nicht sein, wenn ich mehr zu Hause wäre«, versucht er es mit einem Witz. Er schafft es, mich damit zum Lächeln zu bringen.
»Nein«, sage ich dennoch. Wenn er mehr Zeit hätte, wäre das nicht schlimm, sondern großartig. Schlimm wäre es, einfach so weiterzumachen wie bisher. Immer nur weiterzurennen und nicht nach links und rechts schauen zu können vor lauter Rennen. »Bist du vor etwas auf der Flucht?«, fragt mein Mann.
Spontan will ich antworten, dass ich nicht davonrenne, sondern hinterher. Weil ich immer zu wenig Zeit habe. Dann denke ich noch mal nach. Nehme noch einen Schluck Wein. »Ich glaube, ich habe Angst zu versagen. Zuzugeben, dass ich es eben doch nicht schaffe, in allen drei Leben gut zu sein: als Mutter, als Karrierefrau, als Ehefrau.« Er sagt, dass er dieses Gefühl gut kennt, dass er es sehr oft selbst empfindet. Etwa, wenn er mich mit unserem kranken Kind zu Hause verabschiedet und zur Arbeit geht. Dass er sich oft als Fremdkörper fühlt, wenn er abends heimkommt und sieht, wie innig ich mit dem Kind bin, so verbunden. So als würde niemand, nicht mal er als Vater, Mann, Partner, mehr einen Platz haben in dieser Zweisamkeit.
Ich sage, dass er dazugehört. Dass wir aufhören müssen, uns gegenseitig zu unterstellen, den anderen allein zu lassen (was ich mache) oder den anderen nicht zu brauchen (was er macht). Dass wir zusammenhalten müssen. Um diese schwierigen, merkwürdigen, anstrengenden Zeiten nicht nur zu überstehen, sondern vielleicht auch zu genießen. Wir stoßen mit unseren Weingläsern an.
Mein Mann schlägt vor, dass wir ein Problem nach dem anderen angehen. Nicht zuerst die großen Fragen stellen, sondern die Dinge in den Griff bekommen, die in der nächsten Woche anstehen. Ich fange an: »Morgen ist Kindergartenstreik.« Wir überprüfen noch einmal alle Möglichkeiten. Mein Mann ist weg. Es gibt keinen anderen Babysitter. Ich habe keinen Krankentag und keinen Urlaubstag zur Verfügung. Ich will nicht lügen und mich krankschreiben lassen mit Kopfschmerzen oder Menstruationsbeschwerden. »Das ist ja nicht die achte Klasse, in der ich den Sportunterricht schwänzen will«, sage ich. »Nimm den Kleinen mit«, sagt mein Mann. Er schlägt vor, dass ich Malsachen, ein Puzzle und vielleicht seine Lieblings- DVD einpacke und den Tag mit dem Kleinen im Büro verbringe. »Vor was hast du Angst? Dass dir gekündigt wird, weil du dein Kind in einem Betreuungsengpass mit ins Büro genommen hast? Das traut sich keine Firma. Und wenn, dann ist es sowieso besser, dass du da rauskommst.«
Mir gefällt die Idee, die Theorie in die Praxis umzuwandeln. Eine Mitarbeiterin hat ein dreijähriges Kind, das nicht allein gelassen werden kann. Und dann lege ich mir gleich einen Satz zurecht, den ich allen zur Begrüßung sagen kann: Im Kindergarten wird gestreikt, deshalb ist mein Sohn heute hier bei mir. So muss ich nicht nachdenken und nach Erklärungen ringen und erspare mir eine Menge Nervosität. »Jetzt du«, sage ich zu meinem Mann.
»Am Montag muss ich in die USA . Ich komme erst am Sonntagmittag zurück«, sagt er. »Wie soll das gehen, wenn du doch Unterstützung brauchst mit deiner Mutter?« »Die Unterstützung brauche ich die Woche drauf auch noch«, sage ich. Und schlage vor, dass er die Reise einfach genießt, vielleicht sogar ein bisschen Kraft tankt für das, was danach auf ihn wartet. »Lass dich bei der Präsentation ordentlich bejubeln im Namen deines Teams. Und sag dann deinem Chef, dass du mehr willst.« Ich atme tief ein. »Weißt du, eine Möglichkeit von Beförderung ist auch, statt mehr Geld mehr Zeit zu fordern.« Mein Mann lächelt. »Du bist schlau«, sagt er. Ich sage, dass er eh den Stempel des Windeldiplomierten hat. Dass er daraus doch eine Tugend machen kann. »Sag doch einfach, dass deine Frau sich um ihre kranke Mutter kümmern muss. Und dass du dich deshalb mehr um deinen Sohn kümmern willst.« Ich ermuntere ihn, ein
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