Kannst du mir verzeihen
lieb.
Typisch Bastian, der macht immer so nette Sachen.
Und das stimmte ja auch. Der Bastian, den sie zu kennen und zu lieben geglaubt hatte, machte immer so nette Sachen, war aufmerksam, liebenswürdig, zuvorkommend. Er dachte immer erst an die anderen und dann an sich selbst, half dort, wo er glaubte, gebraucht zu werden. Er wusste genau, in welchen Bereichen des täglichen Lebens Hanny bei hoher Arbeitsbelastung überfordert war, und griff ihr unter die Arme.
Selbst jetzt noch.
Doch Bastian war nicht der Einzige, der heute Geschenke machte. Jai und Magnus hatten jede Menge Tüten mit so vielen Geschenken dabei, dass der begründete Verdacht bestand, sie hätten auf ihrem Weg von London hierher den Weihnachtsmann überfallen und ausgeraubt. Sein geschundener Körper steckte wahrscheinlich in einem der riesigen Säcke, die die beiden jetzt aus ihrem Mietwagen holten, der von auÃen ein niedlicher gelber Mini war, aber das reinste Raumwunder sein musste. Es war Hanny rätselhaft, wie die beiden Männer zusammen mit den vielen Geschenken in diesem kleinen Auto Platz gefunden hatten.
»Der Einkaufsgaul ist ein klein wenig mit uns durchgegangen«, erklärte Jai strahlend.
Und Hanny strahlte zurück. Sie wusste noch sehr gut, wie das war. Die Zeit der ersten Verliebtheit. Alles, was man sonst immer allein getan hatte, fühlte sich einfach tausendmal besser an, wenn man die neue Liebe an seiner Seite hatte. Als würde man ein etwas blasses, aber schönes Bild nehmen und mit frischen Farben darübergehen: Alles wirkte viel lebendiger und strahlte mehr.
Von der Ausgelassenheit der anderen angesteckt, packte sie ihre diversen Sockenpaare und Duftprodukte ein und legte sie zu den anderen Geschenken.
Allerdings hatten sie noch keinen Christbaum, unter den sie die Gaben legen konnten. Zwar hatten sie bei ihrer Einkaufsaktion neulich schon einen besorgt, aber Hanny hatte den Baum noch nicht aufgestellt. Er stand immer noch drauÃen im Eimer, die grünen Nadeln hübsch überpudert von einer Lage Neuschnee.
»Er macht sich wirklich gut da drauÃen.« Hanny fand es fast schon frevelhaft, ihn hereinzuholen.
»Ja, und im Wohnzimmer neben dem lodernden Kamin, mit achttausend Kugeln dran und massenweise Geschenken drunter wird er sich noch viel besser machen.« Jai grinste und verschwand mit Magnus nach drauÃen.
Die beiden Männer machten sich einen Riesenspaà daraus, den Baum möglichst umständlich überhaupt erst mal in die Küche zu verfrachten.
Hanny überlieà diese Aktion ganz ihnen und verschwand auf den Dachboden, um den Baumschmuck zu holen.
Hannys kleiner Speicher glich einem Warenlager. Sie hätte ohne Weiteres drauÃen ein Schild mit der Aufschrift »Kuriositätenladen« aufstellen und Eintritt nehmen können. Ihre Mutter hatte alles Mögliche gesammelt. Nicht nur Bücher, sondern auch Kunst- und Naturgegenstände, Treibholz, Kiefernzapfen, getrocknete Blumen, interessante Steine. Hanny hatte das meiste davon behalten, so wie die Kleidung ihrer Mutter, ihren Schmuck und andere persönliche Gegenstände. Hinzu kamen all die Dinge, die sie und Bastian auf dem Dachboden gelagert hatten, um bei seinem Einzug Platz für einige seiner Sachen zu schaffen. Ãberbleibsel eines vergangenen und eines gemeinsamen Lebens, die sie heute, auf der Suche nach den bunten Kugeln, ignorieren wollte.
Der Weihnachtsschmuck war an einem gesonderten Platz verstaut. Allein die Kugeln füllten schon zehn Kartons. Bastian hatte sie sogar etikettiert und nach Farbe und GröÃe sortiert. Er hatte dabei gelacht und ihr prophezeit, sie verwandele sich noch in eine dieser alten Damen, die in ihrem alten Häuschen lebten, in dem man vor lauter angesammeltem Kram keine zwei Schritte geradeaus gehen konnte. Er hatte das aber so nett getan, dass Hanny nicht beleidigt gewesen war, sondern gelächelt hatte.
Hanny kämpfte sich durch Staub und Spinnweben zu den Kartons durch und entdeckte etwas.
Etwas Neues.
Etwas, das bei ihrem letzten Besuch auf dem Speicher nicht hier gewesen war.
Ein Geschenk. Genauso eingepackt wie die täglichen Geschenke vor ihrer Haustür. Aber an einem Ort, an dem sie es unter normalen Umständen, also wenn Bastian noch da gewesen wäre und die Kugeln für sie vom Dachboden geholt hätte, nicht gesehen hätte.
Es war ein Geschenkanhänger dran.
Ohne Zahl.
Nur ein paar Worte:
Weitere Kostenlose Bücher