Kanonendonner über der Adria
eine Pistole zog, auf David zielte und schrie: »Fahr zur Hölle, du Bastard, und sühne deine Schuld von Korfu!«
Alle standen wie erstarrt, nur David wollte sich zur Seite werfen, als auf einmal der Arm, der die Pistole hielt, zerfetzt wurde. Die Pistole schepperte auf das Steinpflaster. Der Schütze starrte auf seinen Arm, aus dem das Blut strömte, öffnete den Mund und schrie.
Ein Begleiter des Erzbischofs sprang zu ihm, band ihm den Arm ab und wollte den Verletzten wegführen.
»Halt!«, sagte der Erzbischof in einer David unbekannten Sprache. »Wie kommst du dazu, gegen mein Gebot eine Pistole mitzuführen, meinen Gast zu bedrohen und damit meine Ehre zu beflecken?«
»Er unterliegt der Blutrache, Herr. Die Ältesten haben es beschlossen.«
»Jetzt ist er mein Gast und wer ihn angreift, greift mich an. Du wirst mit deinem Leben dafür büßen. Führt ihn ab!«
Sie standen erst in einem größeren Zimmer. Diener reichten Wein. Sie tranken auf ihre Zusammenarbeit. Dann ging Petar I. mit David in ein Nebenzimmer, während die anderen über Einzelheiten einer möglichen Kooperation sprechen wollten.
Petar I. sprach genauso wenig wie David nach all den Jahren noch ein fließendes Russisch. Sie mussten nach Worten suchen, sprachen langsam, aber sie konnten sich ohne Zuhörer verständigen.
»Sie wissen, was es für meine Ehre bedeutet, dass einer meiner Begleiter Sie während eines Treffens angegriffen hat, das als friedlich vereinbart war?«
David nickte.
»Wie kam es, dass die Pistolenhand zerschossen wurde, ohne dass man etwas hörte und sah?«
»Ich habe Leibwächter, weil ich immer mit Attentaten des französischen Geheimdienstes und der Albaner rechnen muss. Leibwächter waren in den Häusern um den Vorplatz postiert.«
»Und warum hörte man keinen Schuss?«
»Er schoss mit einer Druckluftbüchse des österreichischen Büchsenmeisters Giradoni, von denen ich anno neunundneunzig zwei in Dubrovnik kaufen konnte.«
Der Erzbischof schaute grübelnd in die Ferne. »Nun, so ganz entspricht das auch nicht unserer Vereinbarung, dass wir unbewaffnet sein sollten. Aber mich interessiert viel mehr, warum hat man Ihnen Blutrache geschworen?«
»Ich habe seinerzeit in Korfu einen albanischen Hauptmann im Kampf getötet, der sich nicht nur einen Harem mit kleinen Jungen hielt, um seine perversen Neigungen zu befriedigen, sondern der uns auch gegen Geld verraten hatte. Seitdem verfolgt mich die Blutrache der Albaner.«
»Ich habe von diesem Albaner gehört. Wenn er im Kampf getötet wurde, dürfen die Ältesten nicht die Blutrache verhängen. Sie sind wahrscheinlich getäuscht worden. Sehen Sie, Herr Admiral. Die Albaner wohnen in wilden, gefährlichen Bergen ziemlich isoliert. Sie haben nie eine staatliche Ordnungsmacht kennen gelernt, sondern nur Plünderungs- und Eroberungszüge fremder Eroberer. Sie haben sich selbst Gesetze gegeben, meist nach dem Motto ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹. Vor etwa fünfhundert Jahren wurden diesen Gesetze in einem Buch festgehalten, dem ›Kanun‹. Danach urteilen nun die Ältesten. Wenn Sie außerhalb eines rechtmäßigen Kampfes töten und den Angehörigen keine Blutsühne entrichten, sprechen die Ältesten die Blutrache aus. Erst wenn sie ausgeführt wurde oder der Täter Buße geleistet hat, kann die ›besa‹, der Friede, verkündet werden. Ich werde dafür sorgen, dass es zur besa kommt und Sie nie mehr behelligt werden.«
»Ich wäre Ihnen verbunden, Exzellenz. Aber Sie haben meinem Schicksal zu viel Zeit gewidmet. Es geht um unsere Völker, Exzellenz. Können Sie uns bei der Vertreibung der Franzosen aus Kotor helfen und was beanspruchen Sie dafür?«
»Sie sind sehr offen, Herr Admiral. Wir können es beide sein, weil wir ohne Zeugen sprechen. Die Franzosen sind auch unsere Feinde. Wir helfen den Briten. Aber wir wollen weder unter britische noch unter österreichische Herrschaft. Wir wollen frei sein, allenfalls den Zaren als Schutzmacht anerkennen. Wir wollen Kotor in das montenegrinische Land eingliedern, um einen guten Hafen zu haben. Das gilt auch für Perast. Von beiden Häfen haben unsere Vorfahren Handel mit der Welt betrieben. Auch Herzeg Novi besäßen wir gern, aber wir wissen, dass das gegen die Bocchesen und alle ihre Verbündeten wohl nicht zu erreichen sein wird. Was sagen Sie dazu?«
»Ich habe mit den Österreichern eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach sie in wiedereroberten Gebieten, die früher zu Österreich gehörten, erneut die alte
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