Kanonendonner über der Adria
Sitzreihen, die einst fünfzehntausend Besuchern Platz geboten hatten.
»Und die konnten alle hören, was die Schauspieler vortrugen?«, fragte Mustafa erstaunt.
»Ja, warten Sie«, rief der Führer. Er lief schnell nach vorn und kletterte auf die Bühne. Dort stellte er sich in Positur und deklamierte aus Shakespeares Hamlet.
Die Briten sahen sich an. »Das ist ja eine fantastische Akustik«, bestätigte David erstaunt.
Andere Töne hörten sie, als sie zu den Kutschen zurückkamen. Die beiden Kutscher liefen ihnen entgegen und klagten, sie seien überfallen worden. »Eine Horde junger Diebe mit Messern«, jammerten sie. »Sie haben die Kutschen durchsucht, aber nur wenig gefunden. Dann haben sie uns die paar Münzen aus den Taschen genommen.«
»Hatte jemand von uns etwas dabei?«, fragte David.
»Ich hatte einen kleinen Beutel Kautabak«, gab Mr. Roberts an.
»Ich hatte ein Stück Schinken und ein Fläschchen Rum in ein Tuch gewickelt, Sir«, meldete Alberto. Ein Midshipman hatte noch einen Apfel in ein Tuch eingeschlagen.
»Dann haben sie ja nur magere Beute gemacht«, stellte David fest.
»Aber es war guter Rum, Sir. Ich könnte diese Bastarde von Dieben zerquetschen«, murmelte Alberto. »Wie viele waren es denn?«, fragte er den Kutscher.
Sie hätten nicht zählen können, beteuerten diese. Bei dem Gefuchtele mit den Messern vor dem Gesicht hätten sie die Augen geschlossen.
David mahnte zur Weiterfahrt. »Beim nächsten Halt bleibt einer als Wache zurück«, verkündete er.
Sie waren auf dem Weg zur Piazza Archimede, wo sie den Artemis-Brunnen besichtigen wollten. Eine große beschnittene Hecke trennte die Straße von den Wegen eines Parks. Plötzlich rief ein Kutscher zu Alberto und Mustafa, die neben ihm saßen: »Dort, die beiden waren es!«
Alberto sah die zwei jungen Burschen und rief zu Mustafa: »Komm, die schnappen wir uns!« Sie reichten ihre Windbüchsen in die Kutsche, sagten kurz, was sie vorhatten, und liefen davon.
David war ärgerlich. »Was denken sich die beiden Burschen? Warten Sie hier, Mr. Roberts.« Er fasste nach seiner Pistole in der Tasche und stieg aus.
Alberto und Mustafa hatten die beiden Diebe erreicht, packten sie bei den Schultern und rissen sie herum. Alberto hielt einem seine mächtige Faust unter die Nase und sagte mit seinem neapolitanischen Dialekt: »Ihr Söhne dreckiger Huren habt unsere Kutschen beklaut. Wo habt ihr meinen Rum?«
Die beiden wollten sich losreißen und nach ihren Messern greifen. Aber Alberto quetschte dem einen so die Hand zusammen, dass er schrie, und Mustafa hielt dem anderen das Messer an die Kehle. »Pack deine Taschen aus, du Strolch.«
Der Beutel mit dem Kautabak kam zum Vorschein und Albertos Beutel mit der Flasche. Aber den Schinken hatten die beiden verzehrt und auch einen tüchtigen Schluck Rum genommen. Mustafas Mann hatte die vier Münzen der Kutscher.
»Ich werde dir die Hand zerquetschen, damit du nicht mehr klauen kannst«, schimpfte Alberto und drückte zu, bis der Dieb schrie wie am Spieß.
David war herangekommen. »Hört auf!«, herrschte er die beiden an. »Wollt ihr Ärger mit den Behörden wegen Misshandlung und Selbstjustiz bekommen? Die Leute schauen schon. Schneidet ihnen Gürtel und Hosenträger durch, damit sie ihre Hosen festhalten müssen. Dann können sie erst einmal nicht klauen und werden sich in ihr Versteck verkriechen. Sie zur Polizei zu bringen, lohnt doch die Mühe nicht.«
Die beiden ließen es sich nicht nehmen, die Diebe noch kräftig zu knuffen, ehe die wegrannten und ihre Hosen krampfhaft festhielten.
David sah seine beiden Maate an. »Ihr habt auch schon besonnener reagiert.«
Alberto wollte argumentieren, aber Mustafa zupfte ihn am Rock. Sie stiegen ein und fuhren zum Artemis-Brunnen.
An Bord des Schiffes wurde dann weniger vom Dom, vom Theater und den anderen Sehenswürdigkeiten erzählt, sondern mehr von Albertos Jagd auf den Rumräuber.
»Mensch, der hat dem Ganoven die Hand beinahe zu Brei zerquetscht«, berichtete der eine Midshipman in der Messe. »Und den Rum hat er dann doch ausgeschüttet, weil die beiden Hurensöhne den mit ihren Gesichtsärschen berührt hätten. So hat er es gesagt!«, beteuerte er. Die anderen lachten.
Zwei Bataillone standen regungslos im offenen Viereck, als Davids Kutsche auf den Exerzierplatz fuhr. Als er die Kutsche verließ, präsentierten sie auf den laut gebrüllten Befehl hin ihre Gewehre und die Pfeifer und Trommler spielten ›Herzen aus Eiche‹.
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