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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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zur Landungsbrücke, legte dann hart Ruder und befahl: »Riemen ein!«
    Der Kutter kam an ein paar Steinstufen zum Stehen, der Bugmann piekte den Bootshaken in einen rostigen Eisenring. Bolitho zog sein Säbelgehänge zurecht und schaute zu der neugierigen Menge auf. Sie schien freundlich gesonnen; doch wenige Meter entfernt war ein Mann ermordet worden.
    Er befahl: »Auf der Pier antreten!«
    Am Kopf der Treppe grüßte er Colpoys’ Wachtposten. Die Seesoldaten machten einen recht fröhlichen Eindruck und rochen trotz ihrer strammen Haltung stark nach Alkohol. Einer von ihnen trug sogar eine Blume am Kragen.
    Bolitho schaute sich um und steuerte mit so viel Selbstvertrauen, wie er aufbringen konnte, auf die nächste Straße zu. Die sechs Matrosen marschierten hinter ihm her und tauschten dabei Blicke und Winke mit der auf Balkons und in Fenstern ausliegenden Weiblichkeit.
    Jury fragte: »Wer konnte ein Interesse daran haben, den armen Lo kkyer zu ermorden, Sir?«
    »Das frage ich mich auch.« Er zögerte einen Augenblick und wandte sich dann in eine enge Gasse, über der sich die Dächer der anliegenden Häuser so nahe kamen, als wollten sie den Himmel ganz ausschließen. Es duftete intensiv nach Blumen, und in einem der Häuser spielte jemand auf einem Saiteninstrument.
    Bolitho studierte noch einmal seinen Zettel und musterte dann ein schmiedeeisernes Tor, das auf einen Hof führte, in dessen Mitte ein Brunnen plätscherte. Sie waren da.
    Er sah, wie Jury mit großen Augen all die fremden Dinge betrachtete, und erinnerte sich, wie er selber einst bei ähnlicher Gelegenheit gestaunt hatte.
    Leise sagte er: »Sie kommen mit.« Dann hob er die Stimme.
    »Stockdale, Sie haben hier die Aufsicht. Niemand entfernt sich ohne meinen ausdrücklichen Befehl. Verstanden?«
    Stockdale nickte grimmig. Er plante sicherlich, jeden, der gegen den Befehl verstieß, zusammenzuschlagen.
    Ein Diener führte Bolitho in einen kühlen Raum über dem Hof, wo Dumaresq und ein älterer Herr mit weißem Spitzbart und einer Haut, die wie weiches Wildleder aussah, saßen und Wein tranken.
    Dumaresq stand nicht auf. »Nun, Mr. Bolitho?« Wenn er über ihr unerwartetes Kommen beunruhigt war, so verbarg er es gut. »Was gibt es?«
    Bolitho warf einen zweifelnden Blick auf den alten Herrn, doch Dumaresq sagte kurz: »Wir sind unter Freunden.«
    Bolitho erzählte, was von dem Augenblick an geschehen war, als der Schreiber das Schiff mit seiner Tasche verlassen hatte.
    Dumaresq stellte fest: »Sergeant Barmouth ist kein Dummkopf.
    Wenn die Tasche noch da gewesen wäre, hätte er sie gefunden.« Er wandte sich um und sagte etwas zu seinem Gastgeber. Dieser schien zu erschrecken, bevor er seine ursprüngliche Haltung zurückgewann.
    Bolitho spitzte die Ohren. Dumaresqs Gastgeber lebte zwar auf dem portugiesischen Madeira, doch der Kommandant hatte offenbar mit ihm spanisch gesprochen.
    Dumaresq befahl: »Gehen Sie zurück an Bord, Mr. Bolitho. Eine Empfehlung an den Ersten Offizier, und melden Sie ihm, er soll den Schiffsarzt und alle anderen Leute an Land sofort zurückrufen. Ich beabsichtige, noch vor Anbruch der Nacht Anker zu lichten.«
    Bolitho dachte jetzt nicht an die Schwierigkeiten, ja an das offensichtliche Risiko, den Hafen bei Dunkelheit zu verlassen. Er verstand die plötzliche Eile und die Dringlichkeit, die durch die Ermordung Lockyers ausgelöst worden war.
    Er machte eine Verbeugung vor dem alten Herrn und sagte: »Ein wunderschönes Haus, Sir.«
    Der alte Herr lächelte und ve rneigte sich leicht.
    Bolitho ging die Treppe hinunter, Jury immer hinter sich, und überlegte, daß sein Gastgeber offensichtlich verstand, was er über das schöne Haus gesagt hatte. Wenn Dumaresq also mit ihm spanisch und nicht englisch gesprochen hatte, dann nur, damit er und Jury ihn nicht verstanden.
    Er beschloß, diese Erkenntnis als einen Teil des Rätsels für sich zu behalten.
    Noch in derselben Nacht führte Dumaresq sein Schiff wie angekündigt wieder auf See. Bei leichtem Wind lediglich unter Marssegeln und Klüver, wand sich die Destiny – geführt von einem Kutter mit einer Laterne am Heck, die ihr wie ein Glühwürmchen den Weg wies – zwischen den anderen vor Anker liegenden Schiffen hindurch.
    Bei Tagesanbruch lag Madeira schon wie ein purpurfarbener Höcker weit achteraus am Horizont. Aber Bolitho war gar nicht sicher, daß das Geheimnis mit der Gasse hinter ihnen zurückbleiben würde, in der Lockyer seinen letzten Atemzug getan

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