Kanonenfutter
Mal sehen, wie ihnen das gefällt.«
Bolitho musterte die abgebrochenen Masten und herumliegenden Toten, zwischen denen die Männer der Destiny sich wie Leichenfledderer auf einem Schlachtfeld bewegten. Er strich sich mit seinen Fingern über den Mund, als könne er die Stelle spüren, wo sie ihn mit solcher Leidenschaft geküßt hatte. Er sagte: »Ich werde es den anderen ausrichten, Sir.« Palliser sah ihn düster an. »Ja, tun Sie das. Erklärungen können später gegeben werden, wenn wir gewonnen haben. Wenn nicht, kommt’s darauf auch nicht mehr an.«
Palliser senkte sein Teleskop und sagte bitter: »Sie haben mehr Leute, als ich dachte.«
Bolitho beschattete seine Augen und beobachtete die beiden Schoner. Ihre großen Gaffelsegel am vorderen und achteren Mast standen wie Vogelschwingen vor dem hellen Himmel. Langsam arbeiteten sie sich nach Luv von der hilflosen Brigg. Das größere der beiden Schiffe, dessen Segel von den Kartätschenladungen während des abenteuerlichen Gefechts wie mit Pockennarben übersät waren, war ein Toppsegelschoner 10 . Er rief eine Erinnerung in Bolitho wach. »Ich glaube, dies ist das Fahrzeug, das den Hafen verließ, als wir bei Egmont zu Besuch waren, Sir. Ich erinnere mich an das Rigg.«
»Stimmt wahrscheinlich. Es gibt nur wenige davon in diesen Gewässern.«
Palliser beobachtete die methodische Annäherung der Schoner. Einer hielt sich weit in Luv, der andere manövrierte von Backbord aus auf den Bug der Rosari o zu, wo er von deren übriggebliebenen Kanonen am schlechtesten zu bestreichen war. Immerhin waren es solide Sechspfünder, die unter Littles erfahrener Leitung jedem gefährlich werden konnten, der ihnen zu nahe kam.
Palliser reichte Bolitho das Glas. »Sehen Sie selbst.« Er ging zum Kompaß hinüber und sprach mit Slade und dem Kapitän der Brigg. Bolitho richtete das Glas mit angehaltenem Atem auf den näherstehenden Schoner. Er wirkte von Wind und Wetter zerzaust und wenig gepflegt. Viele Männer schauten zur trotzigen, wenn auch machtlosen Brigg herüber. Ihre herausfordernden und höhnischen Rufe waren auf die Entfernung schwach zu hören.
Bolitho dachte an die Frau in der Kammer und an das, was diese Kerle mit ihr machen würden, und packte seinen Säbel so fest, daß ihm die Handfläche wehtat. Er hörte den Kapitän der Brigg sagen: »Ich will nicht mit einem Offizier des Königs streiten, aber machen Sie mich nicht für das verantwortlich, was kommt.«
Slade fügte leise hinzu: »Sie können es nicht mit ihnen aufnehmen, Sir. Es ist nicht richtig, es darauf ankommen zu lassen.«
Pallisers Stimme war hart und kompromißlos: »Was empfehlen Sie? Daß wir auf ein Wunder warten? Beten, daß die Destiny aus der Weite des Meeres auftaucht und unsere armen Seelen rettet?« Er gab sich keine Mühe, Sarkasmus und Verachtung zu verbergen. »Verdammt, Slade, ich hätte mehr von Ihnen erwartet.«
Er wandte sich um und sah, daß Bolitho die diskutierende kleine Gruppe beobachtete. »In etwa fünfzehn Minuten wird der Halsabschneider versuchen, uns zu entern. Wenn wir ihn zurückschlagen, wird er wieder auf Abstand gehen; beide werden uns dann eine Weile beschießen. Dann werden sie es wieder versuchen. Und später noch einmal.« Er wies mit einer weitausholenden Armbewegung auf das zerfurchte Deck und die müden Matrosen. »Glauben Sie, daß die Le ute das durchstehen werden?«
Bolitho schüttelte den Kopf. »Nein, Sir.« Palliser wandte sich ab. »Gut.«
Aber Bolitho hatte den Ausdruck in seinem Gesicht gesehen. Er ve rriet trotz ihrer schrecklichen Lage Erleichterung oder auch Überraschung, daß jemand ihm zustimmte.
Palliser sagte: »Ich gehe nach unten; muß mit den Gefangenen von der Helois e sprechen.«
Little sagte leise zu seinem Freund, dem Bootsmannsmaaten: »Die blöden Hunde wissen nicht, auf welcher Seite sie eigentlich stehen, was, Ellis?« Beide brüllten vor Lachen, als ob es ein prächtiger Witz wäre.
Jury fragte: »Was werden wir als nächstes tun?« Ingrave schlug unsicher vor: »Verhandeln, Sir?«
Bolitho beobachtete den näherkommenden Schoner und die geschickte Art, wie er sein Großsegel bediente, um im gewünschten Winkel auf die Brigg zu stoßen.
»Wenn sie zu entern versuchen, werden wir sie warm empfangen!« Daß seine Worte auf dem trümmerübersäten Deck von Mund zu Mund weitergegeben wurden, erkannte er an der Art, wie die Matrosen Entermesser und Beile fester faßten und ihre Muskeln spielen ließen, als stünden sie
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