Kanonenfutter
ihr plötzliches Eingreifen hatte die Männer von der Destiny mit neuem Mut erfüllt. Außerdem bemerkte Bolitho, daß einige Piraten auf ihr Schiff zurückgeklettert waren. Als er sich zum erstenmal wieder umschauen konnte, sah er, daß die Leinen mit den Enterhaken durchtrennt waren und der Schoner sich bereits von ihnen gelöst hatte. Bolitho ließ den Arm sinken und blickte zum zweiten Schoner, der seine Segel dichtholte und den Wind nutzte, um sich von der entmasteten, blutüberströmten, aber siegreichen Brigg freizuhalten. Männer jubelten und klopften einander auf die Schultern. Andere halfen ihren verwundeten Kameraden oder rannten herum und riefen die Namen von Freunden, die nicht mehr antworten konnten.
Ein Pirat, der sich totgestellt hatte, rannte plötzlich zum Schanzkleid, als er begriff, daß sein eigenes Schiff den Kampf abgebrochen hatte. Das war Olssons Augenblick: Sorgsam zog er ein Messer aus dem Gürtel und warf es. Es zuckte auf wie ein Lichtblitz. Bolitho sah den Mann sich in vollem Lauf um seine Achse drehen, die Augen staunend aufgerissen, während das Heft des Messers zwischen seinen Schultern hervorragte.
Little zog das Messer heraus und warf es dem Schweden wieder zu: »Fang!« Dann hob er den Leichnam auf und warf ihn über Bord.
Palliser schritt die ganze Länge des Decks entlang, den Säbel über der Schulter, von dem es rot auf seinen Rock heruntertropfte.
Bolitho fing seinen Blick auf und sagte heiser: »Wir haben’s geschafft, Sir. Ich hätte nie geglaubt, daß es klappt.«
Palliser beobachtete, wie die freigelassenen Gefangenen ihre Waffen zurückgaben und dann einander anstarrten, als seien sie von dem, was sie getan hatten, selbst überwältigt.
»Ich auch nicht, ehrlich gesagt.«
Bolitho wandte sich um und sah, wie Jury sich bemühte, Ingraves Kopf zu verbinden. Beide hatten also überlebt.
Er fragte: »Glauben Sie, daß sie nochmals angreifen?«
Palliser lächelte. »Wir haben zwar keine Masten mehr, aber sie haben noch welche. Ihre Ausguckposten können weiter sehen als wir. Ich bezweifle, daß wir den Sieg nur einer Kriegslist verdanken.«
Palliser hatte recht wie immer. Innerhalb einer Stunde zeichnete sich die vertraute, sonnenbeschienene Segelpyramide der Destin y am Horizont ab. Sie waren nicht mehr allein.
Eines Mannes Verlangen
Die Kajüte der Destin y kam Bolitho nach der Enge auf der Brigg R o sario unnatürlich groß und leer vor. Ungeachtet dessen, was er durchgemacht hatte, fühlte er sich hellwach und fragte sich selber, woher diese frische Energie kam.
Den ganzen Tag über hatte die Fregatte in Luv der Rosario beigedreht gelegen. Während der Rest von Pallisers Gruppe und die Ve rwundeten zur Destiny gebracht wurden, hatten andere Boote frische Leute und allerlei Material zur Brigg gepullt, um deren Besatzung beim Aufrichten eines Notmastes und den notwendigsten Ausbesserungsarbeiten zu helfen, damit sie den nächsten Hafen erreichen konnte.
Dumaresq saß am Tisch, vor sich einen unordentlichen Haufen Se ekarten und Papiere, die Palliser von der Rosari o mitge bracht hatte. Er war ohne Uniformrock, und wie er so in Hemdsärmeln und mit lose geschlungenem Halstuch dasaß, sah er keineswegs aus wie der Kommandant einer Fregatte.
Er sagte: »Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Mr. Palliser.« Er schaute hoch, der Blick seiner weit auseinanderstehenden Augen wanderte zu Bolitho. »Und Sie auch.«
Bolitho dachte an ihr letztes Beisammensein, als er und Palliser von Dumaresq scharf zurechtgewiesen worden waren.
Dumaresq schob die Papiere beiseite und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Zu viele Tote. Und die Heloise auch verloren.« Er wischte den Gedanken weg. »Aber Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, Mr. Palliser, und haben sie tapfer ausgeführt.« Er schenkte ihm ein Lächeln. »Ich werde die Leute der Heloise mit der Rosario zurückschicken. Soweit wir erfuhren, scheint ihr Anteil an den Geschehnissen gering gewesen zu sein. Sie waren von der Brigg angeheuert oder sogar gepreßt worden, und als sie erkannten, daß es nicht um eine kurze Fahrt entlang der Küste ging, waren sie schon zu weit draußen auf dem Atlantik. Ihr Kapitän Triscott und seine Maaten sorgten dafür, daß sie in Unwissenheit blieben. Darum werden wir sie alle der Fürsorge der Rosari o überlassen.« Er deutete auf seinen Ersten Offizier. »Aber erst, nachdem Sie einige gute Leute, die Sie brauchen, um unsere Verluste zu ersetzen, ausgewählt und verpflichtet
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