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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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erwartete.
    »Tut mir Leid, ich weiß es nicht.«
    »Niemand weiß es«, sagte Lidia. »Vielleicht gibt es einen Zusammenhang mit den Temporalen. Immerhin öffnete sich hier eines ihrer Zeitportale.«
    Valdorian hörte ihre Worte – und hörte sie doch nicht. Er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, mit der Frage, wie er dieser Frau imponieren und von ihr die Bewunderung erhalten konnte, die er von anderen Frauen kannte. Sie sprach weiter, aber er hörte gar nicht richtig hin, lenkte den Wagen tiefer und versuchte dabei, zu seiner normalen Selbstsicherheit zurückzufinden.
    »Hören Sie mir überhaupt zu?« Wieder ruhte der sonderbar heiße Blick auf ihm.
    »Was? Ja, natürlich.«
    »Dort.« Lidia hob die Hand und zeigte nach draußen. »Landen Sie dort drüben. Beim Schloss.«
    Es blieb Valdorian ein Rätsel, was die Xenoarchäologen veranlasst hatte, das Gebilde »Schloss« zu nennen. Es war asymmetrisch wie ein Kantaki-Schiff, bestand aus zahllosen Säulen, Spindeln und Zylindern. Zwischen ihnen bildeten Stege ein sehr fragil anmutendes Gespinst, wie grauweiße Spinnweben aus Kristall.
    Valdorian landete den Levitatorwagen, und eine knappe Minute später standen sie vor dem »Schloss«, das mindestens hundert Meter weit vor ihnen aufragte. Valdorian hatte auf eine Jacke verzichtet und fröstelte – oben in der Ambientalblase war es warm gewesen. Der jungen Frau schien die Kälte nichts auszumachen.
    »Ich bin gespannt, ob es stimmt«, sagte Lidia mit einem kurzen Lächeln und trat zur nächsten Säule, die zwar kein Licht von der Sonne Mirlur empfing – so weit im Norden von Tintiran verirrten sich nur selten Sonnenstrahlen bis zum Boden des anderthalb Kilometer tiefen Lochs –, aber trotzdem in einem ockerfarbenen Ton zu glühen schien. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass die Säulen aus kleinen Einzelteilen bestanden, die sich fugenlos zu größeren Komponenten zusammenfügten, die ihre Muster wiederholten. Zumindest das wusste er von den La-Kimesch: Ihre Architektur verwendete fraktale Muster, die sich im mikroskopischen Bereich ebenso wiederholten wie im makroskopischen. Vielleicht hatten sie damit Harmonie zum Ausdruck bringen wollen. Valdorian schob den Gedanken beiseite, denn eigentlich interessierten ihn diese Dinge überhaupt nicht.
    Lidia berührte die Säule mit der Fingerspitze, und einige Sekunden lang geschah gar nichts. Dann ging eine seltsame, wellenförmige Bewegung durch die Säule, breitete sich von dort durchs ganze »Schloss« aus und erfasste auch das weißgraue Gespinst. Ein Ton erklang, zart und subtil, flüsterte über die Spindeln und Zylinder hinweg. Lidia lächelte erfreut und berührte eine andere Stelle. Nach einer Verzögerung von einigen Sekunden wiederholte sich das Bewegungsmuster, und ein anderer Ton erklang.
    »Ich habe davon gelesen«, sagte sie. »Die Archäologen haben es damals in ihren Berichten erwähnt. Wer weiß? Vielleicht ist dieses ›Schloss‹ einst ein Musikinstrument der La-Kimesch gewesen.«
    Levitatorscheiben schwebten näher, brachten Besucher und Ehrengäste. Valdorian befürchtete, nicht mehr lange mit Lidia allein sein zu können. »Befassen Sie sich damit in Ihren Studien?«, fragte er, um irgendetwas zu sagen, während er noch immer damit beschäftigt war, seine Gedanken und Gefühle zu sortieren. »Mit den La-Kimesch?«
    Wieder gab Lidia eine Antwort, die ihn erstaunte; das schien ihre Spezialität zu sein. »Nein. Eigentlich interessieren sie mich nur am Rande.« Sie drehte sich um. »Dort drüben befand sich das Zeitportal.«
    Übrig geblieben von dem Portal war ein schwarzer Fleck im Inneren eines glockenartigen Gebildes, das den Eindruck erweckte, bei der geringsten Berührung bersten zu können. Es schien aus Glas oder den sonderbaren Kristallen der La-Kimesch zu bestehen, und der schwarze Fleck darin, der etwa drei Meter durchmaß … Er sah aus wie etwas, das aus der Struktur des Raums herausgeschnitten war, ein von leerer Leere erfülltes Nichts, wenn das einen Sinn ergab. Lidia ging darauf zu, vorbei an einigen inzwischen gelandeten Levitatorscheiben; an diesem Ort, der jahrhundertelang einsam und verlassen gewesen war, wimmelte es plötzlich von Neugierigen.
    Valdorian folgte der jungen Frau, noch immer innerlich aufgewühlt. »Von hier aus führte ein Tunnel in die Vergangenheit, in die Zeit der Geschöpfe, die wir die ›Temporalen‹ nennen«, sagte sie. »Ist das nicht faszinierend?« Sie blieb vor der Glocke stehen und

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