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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sagte er leise.
    »Wollen Sie sich ergeben?«, fragte Jonathan.
    »Natürlich nicht. Es wäre der sichere Tod für uns. Kommen Sie.«
    »Wohin?«
    »Nicht zur Schlucht, so viel steht fest.«
    Sie liefen los, entfernten sich von den Gebäuden der Überwachungsstation und näherten sich der Anomalie. Das Glühen der Eisblumen-Gebilde verlor sich im heller werdenden Grau des beginnenden Tages, aber dadurch büßten sie nichts von ihrer Seltsamkeit ein und wirkten so fehl am Platz wie ein Eisberg in einer heißen Wüste.
    »Achtung«, erklang vor ihnen eine synthetische Stimme. Sie stammte von einer der im Felsboden verankerten Warnbojen, die den Gefahrenbereich markierten. »Sie befinden sich in unmittelbarer Nähe einer noch nicht neutralisierten Anomalie.«
    »Haben Sie den Verstand verloren?«, ertönte es hinter ihnen. Valdorian sah kurz zurück – Fredrik stand vor den Gebäuden, in der rechten Hand eine der Waffen, die zur Ausrüstung der Kampfanzüge gehörten. »Kommen Sie zurück!«, rief er.
    Etwas fiel heulend vom Himmel, ein Kampfshuttle der Allianz. Auf dem Polster eines flirrenden Levitationsfeldes drehte er sich über der Station, richtete den Bug auf die Anomalie und beschleunigte.
    »Los!«, rief Valdorian und lief an der Warnboje vorbei, den sonderbaren, wie kristallen wirkenden Blumen entgegen. Jonathan folgte ihm, blass und mit weit aufgerissenen Augen.
    Es fauchte hinter ihnen, und Valdorian warf einen Blick über die Schulter. Der Shuttle feuerte mit einer Plasmakanone auf sie, aber der Strahl erreichte sie nicht, zerfaserte einige Meter hinter ihnen in der Luft und verschwand.
    Etwas griff nach Valdorian. Es zerrte mit unvorstellbarer Gewalt an ihm, schien ihn in die Länge zu ziehen, bis er glaubte, mit einem Kreischen zu zerreißen. Die Anomalie saugte ihn an, und er stürzte in sie hinein, verlor sich in einem wilden temporalen Mahlstrom.
     
     

17
Im Transraum
An Bord von Mutter Krirs Schiff ·  nichtlinear
     
    Floyds Welt blieb weit hinter dem Kantaki-Schiff zurück, das noch immer durch das All der nichtlinearen Zeit flog. Goldenes Licht umgab Lidia im Sakrium, und sie blickte hinaus ins Plurial. Zahllose Kugeln schwebten um sie herum, groß und klein, in allen Farben, jede von ihnen ein Universum mit Milliarden von Galaxien und noch viel mehr Welten, auf denen Leben in allen Formen existierte. Es war ein Anblick, wie man ihn sich prächtiger kaum vorstellen konnte, und doch erfüllte er Lidia mit Trauer, denn es waren nicht ihre Universen, nicht ihre Welten. Sie saß nach wie vor in der nichtlinearen Zeit fest, suchte noch immer nach einem Faden, der zurückführte in den vertrauten Kosmos. Und in die vertraute Zeit. Es hatte kaum einen Sinn, in eine Milchstraße zurückzukehren, die Jahrmillionen vor ihrer Geburt existiert hatte. Zumindest hätte es für mich keinen Sinn, dachte Lidia müde. Bei Mutter Krir sieht die Sache vielleicht anders aus.
    Sie stand auf einer Plattform, aber nur, um etwas Festes unter den Füßen und somit ein vertrautes Gefühl zu haben. Eigentlich spielten solche Dinge im Sakrium keine Rolle. Es war ein transzendentaler »Ort«, an dem die Kantaki meditierten, und Lidia hoffte, von hier aus einen geeigneten Faden zu finden. Sie wusste nicht, seit wann sie sich auf dieser Plattform befand. Mal saß sie, mal stand sie, seit vielen Stunden oder Tagen. Nur selten kehrte ihr Bewusstsein in den realen Körper zurück – der sich im Quartier an Bord des Kantaki-Schiffes befand –, wenn Hunger und Durst verlangten, dass sie etwas aß oder trank. Anschließend setzte sie ihre Suche wieder fort.
    Lidia beobachtete die hin und her schwebenden Kugeln, bemerkte an einigen Stellen Flecken, Makel in der Schönheit des Plurials, fühlte sich von ihnen an das dunkle Etwas erinnert, an den Abissalen, der irgendwo dort draußen unterwegs war, Veteran eines uralten Konflikts. Sie schloss die Augen und besann sich einmal mehr auf ihre Gabe, auf jenen zusätzlichen Sinn, der sich manchmal wie ein sanftes Prickeln in ihrem Inneren regte. Sie verglich ihn gelegentlich mit einem Fenster, das sich nie ganz schließen ließ und ihr, wenn es geöffnet war, einen Ausblick gewährte, wie er für gewöhnliche Augen nicht existierte. Durch dieses besondere Fenster schaute sie aufs Fundament des Existierenden, auf die Bedeutung, die sich hinter den Elementarteilchen verbarg. Gewissermaßen wurde sie Teil der quantenmechanischen Welt, was zum Teil ihre spezielle Beziehung zur Zeit

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