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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
    »Heute Abend … Wir wollten miteinander reden. Wir beide ganz allein.«
    »Es tut mir Leid.« Valdorian stieg ein. »Ein anderes Mal.«
    Die ältere Lidia sah dem fortfliegenden Levitatorwagen nach. »Das sagst du seit mehr als zehn Jahren …«
    Die jüngere Lidia wusste: Auch in diesem Universum gab es einen Leonard und eine Francy, aber sie waren längst außer Haus. Ihr Sohn arbeitete in der Verwaltung des Konsortiums, das Valdorian als Primus inter Pares leitete; ihre Tochter war zu einer christlichen Fundamentalistin geworden und lebte auf Schanhall. Und Valdorian … Oh, er war älter und reifer geworden, aber im Lauf der Zeit hatten sich jene negativen Eigenschaften in ihm verstärkt, die ihr schon in der Anfangsphase ihrer Beziehung aufgefallen waren. Andere Personen spielten für ihn kaum eine Rolle; er sah in ihnen nur ein Mittel zum Zweck. »Figuren auf dem Schachbrett«, murmelte die junge Lidia und wusste, wie allein sich ihr alternatives Selbst fühlte. Zu gern hätte sie der älteren Lidia irgendwie Trost gespendet, aber sie blieb auf die Rolle der Beobachterin beschränkt, obwohl sie ebenfalls auf der Terrasse stand.
    Und dann begriff sie, warum ihr Bellavista anders erschien. Es gab keine Sakrale Pagode in der Stadt. In diesem Universum hatte es für sie keine Möglichkeit gegeben, Kantaki-Pilotin zu werden.
    Lidia stand vor dem Sarkophag und zog die Hand vom schwarzen Stein zurück, blickte dabei noch immer zur Pluriallinse hoch, die keine Bilder mehr zeigte, nur noch ein fahles graues Glühen. Eine seltsame Melancholie zerrte an ihr, und sie versuchte, ihre Gefühle und Gedanken zu ordnen. Die Kinder in den anderen Welten, Leonard und Francy … Sie bedeuteten etwas, das ihr im Hier und Heute fehlte. Sie existierten wirklich und waren nicht nur eine Vision. Aber aus dem Blickwinkel der Kantaki-Pilotin namens Lidia betrachtet beschränkten sie sich darauf, eine Möglichkeit zu sein. An diesem Gedanken hielt Lidia fest, denn er erschien ihr sehr wichtig. Sie erinnerte sich daran, einmal mit Valdorian über diese Dinge gesprochen zu haben, und inzwischen war das Konzept ein wenig klarer geworden. Es betraf nicht nur ihr Leben, sondern auch das aller anderen Personen. Es gab tausende von Möglichkeiten – bis man Entscheidungen traf, die andere Dinge ausklammerten. Dadurch entstanden neue Parallelwelten im Plurial, und das individuelle Leben kam einen Schritt voran. Mit jeder einzelnen Entscheidung trat man auf dem Weg des Lebens einen Schritt nach vorn, und aus Möglichkeit wurde gelebte Realität.
    Etwas berührte Lidia an der Schulter, und sie drehte erstaunt den Kopf. Mutter Krir stand hinter ihr.
    »Du bist traurig, Diamant«, klickte sie.
    »Nein«, erwiderte Lidia ein wenig zu schnell, blickte erneut zur Pluriallinse und hatte noch die Bilder von ihrem Sohn und ihrer Tochter vor Augen. »Nein …«, wiederholte sie ruhiger und stellte fest, dass es stimmte. Sie war nicht traurig und hatte zu einer neuen inneren Ruhe gefunden, wenn auch noch immer begleitet von Melancholie. »Vor einigen Jahren habe ich eine wichtige Entscheidung treffen müssen, und manchmal frage ich mich, welchen Lebensweg ich beschritten hätte, wenn jene Entscheidung anders ausgefallen wäre.«
    »Vielleicht hättest du Kinder«, sagte die alte Kantaki mit dem Verständnis einer Mutter.
    »Ja. Aber dann wäre ich nicht Ihre Pilotin geworden. Man muss wählen – das Leben zwingt uns alle dazu, früher oder später. Und mir ist jetzt klar, dass man anschließend nicht immer zurücksehen sollte. Es gilt, den Blick nach vorn zu richten und den gewählten Weg zu beschreiten.«
    Mutter Krirs dreieckiger Kopf neigte sich über Lidia von einer Seite zur anderen.
    »Du solltest nicht allein sein, Kind«, klickte sie. »Du brauchst einen Partner.«
    Ein anderes, mehrstimmiges Klicken erklang von der Tür her, und Mutter Krirs Kinder liefen durch die Grotte. Mru, Tral, Dror, Grar und Krinh näherten sich schnell und versuchten, an Lidia emporzuklettern.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte sie, und ihr Worte galten Mutter Krir. »Vielleicht … eines Tages. Irgendwann einmal.«
    Und dann spielte sie mit den jungen Kantaki.
     
     

20
Im interstellaren Raum
20 Lichtjahre vom Epsilon-Eridani-System entfernt
März 421 SN ·  linear
     
    Valdorian erwachte aus einem Albtraum und stellte fest, dass die Wirklichkeit noch schlimmer war.
    Im Traum hatte sich der Schmerz auf den Kopf beschränkt, auf

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