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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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anzuschwellen begann, als der Sprunggenerator Energie aufnahm. In einigen Stunden war es wieder so weit. Er hoffte, dass sich sein Körper nicht zu schnell an das Medikament gewöhnte und weiterhin vor den schlimmsten Auswirkungen der Schockwellen geschützt blieb.
    Er sah seinen Sekretär an, der am kleinen Tisch ihres Abteils saß, neben dem Gerät, das einfache synthetische Speisen produzierte. Jonathan blickte in ein Glas Wasser, das seine Hände langsam hin und her drehten, und er wirkte in Gedanken versunken. Ein grauer Schatten lag auf seinem Gesicht. Auch er litt an den Auswirkungen der Sprünge, trotz der Injektionen.
    »Vermutlich ist es etwas Paranormales«, sagte Valdorian. »So wie die Gabe der Kantaki-Piloten.« Die letzten Worte öffneten eine innere Tür, die er sorgfältig geschlossen hatte, und dahinter wehte ein Orkan aus Gefühlen. Er drückte sie erneut ins Schloss, bevor ihn die grässliche Mischung aus Hoffnung, Furcht und Verzweiflung überwältigen konnte. Zuerst mussten die aktuellen Probleme gelöst werden.
    »Ich könnte bestimmt kein Kantaki-Schiff durch den Transraum lenken.«
    Valdorian musterte seinen Sekretär. Er hatte das Gespräch begonnen, um sich abzulenken, um nicht an die Schmerzen bei den Sprüngen und ihre Auswirkungen auf seine genetische Destabilisierung zu denken. Aber jetzt erwachte Interesse in ihm. Sein Blick nahm Einzelheiten des Mannes auf, der ihm seit vielen Jahren treue Dienste leistete. Einige Resurrektionen ließen den siebenundneunzig Jahre alten Jonathan Fentur wie fünfzig aussehen. Alles an ihm wirkte durchschnittlich, was ihm vermutlich dabei half, nicht aufzufallen, wenn er nicht bemerkt werden wollte. Valdorian begriff plötzlich, dass sein Wissen über Jonathan kaum über diese äußerlichen Dinge hinausging. Er kannte den Mann, der dort nachdenklich am Tisch saß, und er verließ sich auf ihn – und doch war Jonathan für ihn ein Fremder. Zum ersten Mal nahm er ihn jetzt als einen Menschen wahr, als Person, und nicht als eine Art jederzeit einsatzbereites Mehrzweckwerkzeug.
    »Jonathan?«
    »Ja, Primus?«
    »Warum weiß ich kaum etwas über Sie?«
    »Nun, äh …« Jonathan schien in Verlegenheit zu geraten und suchte nach den richtigen Worten. »Sie sind immer mit vielen wichtigen Dingen beschäftigt gewesen …«
    »Woher stammen Sie?«, fragte Valdorian, neugierig geworden.
    »Von Akuhan.«
    »Das ist eine Akuhaschi-Welt, nicht wahr?«
    »Ja. Aber es gibt dort auch einige menschliche Kolonien. Ich habe erst unsere Schule besucht und dann bei den Akuhaschi studiert, den Administratoren der Kantaki. Auch meine Frau stammte von dort.«
    »Sie sind verheiratet?«, fragte Valdorian verblüfft.
    Jonathans Gesicht zeigte erneut Verlegenheit. »Ich war es. Meine Frau starb vor sieben Jahren. Aus jenem Anlass haben Sie mir zwei Monate Sonderurlaub gegeben.«
    Ich habe ihn gekannt, dachte Valdorian betroffen. Ich habe früher viel mehr über Jonathan gewusst und es einfach vergessen. Weil es mir nicht wichtig erschien.
    »Es tut mir Leid …«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Primus. Ich verstehe Sie, wirklich. Sie sind der Primus inter Pares. Zahllose Dinge von großer Tragweite erfordern Ihre Aufmerksamkeit.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Ihrer Fürsprache verdanke ich, dass mein Sohn Axil und meine Tochter Ivrea gute Stellungen im Verwaltungsapparat des Konsortiums bekommen haben.«
    »Meiner Fürsprache …« All diese Erinnerungen habe ich wie Ballast abgeworfen, um Platz für Wichtigeres zu schaffen, dachte Valdorian. Aber das sind keine wenig benutzten Daten, die man auslagert, um bei Gelegenheit erneut auf sie zuzugreifen. Es handelt sich um Teile meines Lebens, groß oder klein, und ich habe sie einfach weggeworfen. Sie sind fort, begraben unter anderen Erinnerungen, unzugänglich. Was war er, wenn nicht die Summe aller Erfahrungen und Erlebnisse seines hundertsiebenundvierzig Jahre langen Lebens? Und wenn einige dieser Erfahrungen und Erlebnisse fehlten? Dann war er weniger, als er eigentlich hätte sein können. In gewisser Weise hatte er sich selbst verkrüppelt.
    Jonathans Verlegenheit wuchs. »Ja, und dafür stehe ich tief in Ihrer Schuld. Ihnen verdanke ich, dass meine Kinder eine echte Chance im Leben bekamen. Wenn Sie gestatten, Primus … Wir sollten jetzt wieder schlafen, um Kraft zu schöpfen. Uns stehen noch drei anstrengende Sprünge bevor.«
    Valdorian begriff, dass Jonathan ihm einen Ausweg anbot und sich dadurch gleichzeitig

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