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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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von der Evolution programmiert. Die Wurzel von Valdorians Selbst wollte am Leben bleiben, denn sie wusste: Solange sie lebte, gab es noch eine Chance, gab es Licht, während der Abgrund nur Finsternis bot.
    Er sah sich selbst, auf einer Liege im Medo-Raum des Horgh-Schiffes, umgeben von summenden und zirpenden Geräten, angeschlossen an Datenservi und fremdartige Apparate. Die Verbindung durch den Bio-Servo fügte seinem Ich erneut ein externes, bohrendes Element hinzu, aber es blieb an der Peripherie des brennenden Bewusstseins, außerhalb der mentalen Flammen, die in Valdorians Innenwelt loderten. Er sah Jonathan, blass und wie ausgemergelt, geschwächt von vier Sprüngen, aber in weitaus besserer Verfassung als er. Sein Gesicht zeigte Sorge, während er mehrere Horgh-Ärzte bei der Arbeit beobachtete. Auch Gijül war zugegen, hüpfte auf der einen Seite des Raums hin und her, eilte gelegentlich zu den Ärzten, stellte ihnen zwitschernd Fragen und setzte dann seine nervösen Sprünge fort – offenbar befürchtete er den Tod seines zahlungskräftigen Passagiers. Valdorian spürte erneut die Arbeit der Mikronauten, noch mehr als vorher, winzige Maschinen, die fleißig Zellschäden reparierten. Aber in vielen Fällen waren sie überfordert, wenn die genetischen und molekularen Strukturen zu große Schäden aufwiesen. Die Uhr des Lebens, von den häufigen Resurrektionen immer wieder zurückgestellt, tickte jetzt schneller und wollte sich nicht erneut anhalten lassen. Sie war ein kalter Wind, der aus dem schwarzen Abgrund emporseufzte und Linderung versprach.
    Der an der Kluft stehende Valdorian hob ein Bein zum letzten Schritt, doch dann wankte er und taumelte nach hinten, von einem sonderbaren Sog erfasst. Wieder war es der Instinkt, der für ihn entschied, dem sanften Zerren nachzugeben. Er fiel, dem Körper auf der Liege entgegen, fand zu seiner vorherigen, kompletten Existenz zurück und …
     … hob die Lider.
    Aufgeregtes Zwitschern erklang, und darin verlor sich fast Jonathans Stimme. »Primus? Wir haben es überstanden. Der vierte Sprung liegt hinter uns. Wir befinden uns im Orbit von Orinja.«
    »Er ist erwacht, erwacht!«, freute sich Gijül und sprang zur Liege. Die fratzenhafte Parodie des menschlichen Gesichts im Zentralleib des Horgh erschien in Valdorians Blickfeld. »Und er wird leben, leben!«
    Ein anderer Horgh zwitscherte.
    »Der Arzt meint, sein Zustand wird sich gleich stabilisieren.«
    »Ich … verbrenne«, brachte Valdorian hervor. Doch noch während er diese beiden Worte sprach, ließ die unerträgliche Hitze in seinem Inneren nach und wich erneut einer gleichgültigen Kühle, die Emotionen ihre Bedeutung nahm.
    »Sie werden leben, leben!«, jubilierte Gijül. Er wandte sich an Jonathan. »Wir haben das Ziel erreicht. Bezahlen Sie. Dreihundert Millionen Transtel, wie vereinbart.«
    »Primus?«, fragte Jonathan.
    »Ja«, sagte Valdorian mühsam und spürte wieder bleierne Müdigkeit. »Bezahlen Sie ihn. Lassen Sie einen … Shuttle kommen. Und …« Er musste seine ganze Kraft zusammennehmen. »Und sprechen Sie mit … Connor. Er soll Vorbereitungen treffen.«
    »Ja, Primus. Schlafen Sie. Ich kümmere mich um alles.«
    Valdorian schloss die Augen.
     
     

21
Im Transraum
An Bord von Mutter Krirs Schiff
19. Januar 327 SN ·  linear
     
    »Es ist so weit, Kind«, sagte Mutter Krir. »Bitte begleite mich.«
    »Was ist so weit?«, fragte Lidia verschlafen. Ganz automatisch schlug sie die Decke zurück, streifte einen einfachen Umhang über und schlüpfte in die Schuhe, während die große Kantaki in der offenen Tür des Quartiers wartete.
    »Es wird Zeit für mich, die Welt der Lebenden zu verlassen.«
    Diese Worte sprach Mutter Krir im Korridor, und Lidia war von einem Augenblick zum anderen hellwach. Sie blieb stehen, und Erschrecken löste die letzten Reste von Müdigkeit auf. »O nein!«, brachte sie hervor.
    Die Kantaki streckte ein Vorderglied aus und berührte sie an der Wange. »Sieh die Dinge nicht aus dem Blickwinkel eines Menschen«, klickte sie sanft. »Du hast viel über uns gelernt, Kind, das Herz unserer Zivilisation gesehen. Und du kennst auch unsere Philosophie, unsere Perspektive für alles, das existiert. Der Geist wurde Materie, und jetzt ist es an der Zeit, dass diese Materie …« Die Kantaki deutete auf sich selbst. »… zum Geistigen zurückkehrt.«
    »Aber vielleicht irren Sie sich«, platzte es aus Lidia heraus, während sie durch den halbdunklen Korridor schritten.

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