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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Mal. »Ich wünsche dir ein langes und erfülltes Leben, Kind.« Mit diesen Worten wandte sie sich der großen Tür zu, deren fünf Segmente in die Wand glitten. Sie betrat den Raum, drehte sich nicht noch einmal um, und der Zugang schloss sich wieder.
    Lidia erwachte wie aus einer seltsamen Trance, trat mit einigen raschen Schritten auf die fünf Segmente zu, die ihr jedoch den Weg versperrten.
    Dann fiel ihr die letzte Bitte der Kantaki ein, und sie eilte zur kleineren Tür auf der linken Seite, die bereitwillig vor ihr zur Seite glitt. Dahinter erstreckte sich ein kleiner Raum mit zwei transparenten Wänden. Die eine gewährte Ausblick in den Transraum und auf die Transportblase mit den Passagier- und Frachtmodulen, die das Kantaki-Schiff hinter sich her zog. Durch die andere konnte man in den Raum sehen, den Mutter Krir betreten hatte. Lidia trat ganz dicht an diese Wand heran und presste beide Hände ans transparente Metall.
    Die alte Kantaki stand wie andächtig in der Mitte des Zimmers. Einige Sekunden lang verharrte sie in Reglosigkeit, richtete sich dann halb auf und bewegte die vorderen Gliedmaßen in einem Muster, dessen Bedeutung Lidia nicht kannte. Sie wandte sich der Wand zu und winkte auf eine fast menschliche Weise. Etwas berührte Lidias Selbst, ein letztes Streicheln der Seele, und sie hob die rechte Hand, winkte ebenfalls.
    Pumpen summten leise und saugten die Luft aus dem Raum, in dem die Kantaki auf ihren »letzten Flug« wartete.
    »Mutter Krir …«, hauchte Lidia, und neuerlicher Kummer tastete nach ihrem Herzen, trotz der tröstenden Worte, die die Kantaki zuvor an sie gerichtet hatte.
    Es dauerte nicht lange, bis der andere Raum fast ebenso luftleer war wie das All, und daraufhin öffnete sich der Dorn am Bug des Kantaki-Schiffes wie eine Blume. Fünf lange, schalenförmige Elemente klappten auseinander. Lidia beobachtete das Geschehen mit Tränen in den Augen. Sie wusste nicht, wie lange Kantaki im Vakuum überleben konnten, aber bestimmt nicht sehr lange. An Mutter Krirs Rücken bewegte sich etwas: Zwei halbtransparente Membranen kamen aus verborgenen Öffnungen, entrollten sich und wurden zu rudimentären Flügeln, die im luftleeren Transraum natürlich keine Funktion hatten – dieser Akt war Teil eines Rituals.
    Die Kantaki ging in die Hocke, blickte noch einmal zur durchsichtigen Wand und stieß sich dann ab, flog mit ausgebreiteten Schwingen in den Transraum hinaus.
    Lidia sah ihr nach, bis sich Mutter Krir in der Schwärze verlor, bis selbst das Gefühl ihrer mentalen Präsenz verblasste und sich auflöste. Sekunden reihten sich aneinander, wurden zu Minuten, und die Minuten schienen schneller zu vergehen als sonst, während Lidia weiterhin ins All blickte, zu den Sternen und den sonderbaren Schatten, die sich im Transraum manchmal vor sie schoben, wie die Schwingen von gewaltigen Geschöpfen. Vielleicht gehörte Mutter Krir jetzt zu ihnen.
    Irgendwann erklang eine Stimme hinter Lidia.
    »Diamant?«
    Sie drehte sich um und sah in der offenen Tür den Akuhaschi, der Mutter Krir die bunten Stoffbahnen gebracht hatte.
    »Es wird Zeit für Sie, in den Pilotendom zurückzukehren«, sagte der Akuhaschi. »Bringen Sie dieses Schiff zu seinem Ziel.«
    Lidia wischte sich Tränen aus den Augen, nickte und verließ den kleinen Beobachtungsraum. Auf dem Weg zum Pilotendom sagte sie: »Sobald sich Gelegenheit bietet, fliegen wir zum Mirlur-System. Mutter Krir hat mir einen Rat gegeben, den ich beherzigen möchte.«
    »Wie Sie wünschen, Pilotin.«
     
Xandor ·  16. März 327 SN ·  linear
     
    Ein langes Leben trägt die Bürde des Todes, dachte Lidia und erinnerte sich damit an Worte, die Floyd einmal an sie gerichtet hatte. Wer lange lebte, sehr lange, musste oft Abschied nehmen von jenen, die das Ende ihres Lebenswegs erreichten. Floyd hatte zu Recht von einer Bürde gesprochen, denn es war eine Last. Kummer und Trauer summierten sich, wurden zu einem schweren inneren Gewicht, das man immer mit sich trug und nie ganz abstreifen konnte.
    Der See war noch zugefroren, und Schnee bildete eine dünne weiße Decke auf dem Eis, ebenso auf dem Weg, der vom Haus am Hang zum Ufer führte. Er knirschte, als Lidia einen Fuß vor den anderen setzte. Das Bootshaus, in dem ihr Vater damals seinen letzten Roman zu schreiben versucht hatte, existierte nicht mehr. Es war abgerissen und durch ein neues ersetzt worden, durch ein Gebäude aus Synthomasse und Stahlkeramik.
    »Die Zeit verstreicht«, murmelte

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