Kantaki 01 - Diamant
Zorn und Enttäuschung fertig zu werden. »Ich habe die Ausstellung auf drei anderen Planeten versäumt. Sie kam vor vier Wochen nach Tintiran und zieht bald weiter. Ich möchte sie mir hier ansehen.«
Grar musterte sie, und der Blick seiner multiplen Augen nahm nicht nur das auf, was ihr Gesicht zeigte. Er verstand, so wie auch Mutter Krir immer verstanden hatte. »Nun gut. Dann bring uns zum Planeten.«
Lidia lehnte sich im Pilotensessel zurück und legte die Hände in die Sensormulden. Sofort spürte sie den Körper des Schiffes, wie eine Erweiterung ihres eigenen Leibs. Grars Schiff war nicht so groß wie das seiner Mutter – Kantaki-Schiffe wuchsen im Lauf der Zeit; man fügte ihnen immer mehr Segmente hinzu, je älter ihre Besitzer wurden –, aber der Kontakt mit ihm vermittelte ihr ein ähnliches Gefühl. Sie bündelte die Energie der Reaktoren und verwandelte sie in Bewegung: Das schwarze Kantaki-Schiff, seine Transportblase leer, glitt dem dritten Planeten des Mirlur-Systems entgegen, und die Kampfeinheiten der Allianz wichen ihm respektvoll aus. Niemand stellte das Recht des Kantaki-Raumers infrage, in die Umlaufbahn von Tintiran zu schwenken und dann mit dem Landeanflug zu beginnen. Während Lidia das Schiff steuerte, blickte sie immer wieder zu den Projektionsfeldern und stellte erleichtert fest, dass es über dem Planeten nicht mehr gleißte. Hoffnung erwachte in ihr. Die Allianz übernahm Tintiran, daran ließ sich nichts ändern, aber vielleicht blieben der Planet und seine Bewohner von den grässlichsten Folgen des Krieges verschont.
Wenige Minuten später setzte das Schiff auf, sanft wie eine Feder, und Lidia verließ den Pilotendom, um eine Welt zu betreten, die sie für ihre Heimat hielt, obgleich sie nicht auf dem dritten Planeten des Mirlur-Systems geboren war, sondern auf dem vierten, auf Xandor.
Auf dem Weg zum Museum mit der Xurr-Ausstellung wanderte Lidia durch eine ihr fremd gewordene Stadt. Sie hatte Bellavista zum letzten Mal vor einigen Jahren besucht, aber es lag nicht etwa an der verstrichenen Zeit. Die Stadt wirkte so vertraut wie damals, doch die Atmosphäre war anders. Sie bemerkte nur vereinzelte Personen auf der Uferpromenade, und niemand von ihnen sah übers Scharlachrote Meer. Die Blicke der wenigen Passanten galten vielmehr den Soldaten, die hier und dort Straßensperren errichtet hatten, schwere Waffen schussbereit in den Händen hielten und teilweise mit sehr bedrohlich wirkenden Kampfkorsetts ausgestattet waren. Zwar schien die Sonne, aber Düsternis hatte sich auf die bunte, strahlende Stadt herabgesenkt.
Nirgends sah Lidia ein lächelndes Gesicht.
Die meisten Läden waren geschlossen, und manche Inhaber hatten ihre Geschäfte sogar mit metallenen Blenden geschützt. Brandspuren an Wänden und die Wracks einiger Levitatorwagen deuteten darauf hin, dass in Bellavista zumindest einige kurze Kämpfe stattgefunden hatten. Nirgends lagen Leichen, und zumindest dafür war Lidia dankbar. Der Rest aber erfüllte sie mit Erbitterung, und deshalb reagierte sie ziemlich scharf, als ein Allianz-Soldat ihr den Weg versperrte. Es war ein junger Mann, etwa fünfundzwanzig, und er trug einen dunkelblauen Kampfanzug. Der Lauf seines Hefoks zeigte nach unten, aber Entschlossenheit prägte sein Gesicht, als er Lidia entgegentrat und die Hand hob.
»Bleiben Sie stehen und weisen Sie sich aus.«
Lidia bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick und deutete auf die Kantaki-Symbole an ihrer Hemdjacke. »Dies ist Ausweis genug, junger Mann. Geben Sie den Weg frei.« Sie stand an einem Kontrollpunkt. Ein mobiler Generator erzeugte ein Kraftfeld, das über die Straße und den Gehsteig bis zur Strandpromenade reichte. Zwei weitere Soldaten standen beim Generator, ihre Waffen bereit. Einer von ihnen schien älter zu sein, vielleicht ein Offizier.
»Jeder kann ein Hemd mit solchen Symbolen tragen«, sagte der Soldat.
Lidia stemmte die Hände an die Hüften. »Ich bin nicht jeder, sondern Pilotin in den Diensten der Kantaki«, zischte sie. »Seit hundertzwanzig Jahren. Wenn Sie nicht unverzüglich den Weg freigeben, werde ich den Eigner meines Schiffes darauf hinweisen, dass ich belästigt wurde, was auf einen Verstoß gegen den Sakralen Kodex hinausläuft. Dann riskieren Sie und Ihre Truppe …« – sie sprach dieses Wort mit Absicht sehr verächtlich aus – »… für immer im Mirlur-System festzusitzen, weil kein Kantaki Ihnen eine interstellare Passage gewähren wird. Habe ich mich
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