Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
Streit, war es um Lidia gegangen …
    Und jetzt lag sein Vater hier, seit hundertsechs Jahren, als Teil des Nichts, das immer auf der Lauer lag, um Träume und Hoffnungen zu verschlingen, wie ein unersättliches Ungeheuer, dem niemand entrinnen konnte.
    Etwas in Valdorian erbebte, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Abrupt wandte er sich vom Sarkophag seines Vaters ab, und die nächsten Schritte führten ihn zu einer leeren Nische. Er starrte in den Alkoven und begriff plötzlich, dass er den Ort sah, der zur letzten Ruhestätte des neunzehnten Valdorian werden sollte.
    Jäher Schwindel erfasste ihn, und er taumelte, stieß erst gegen einen Spiegel und dann an die Wand, dicht neben einer ewigen Kerze, deren Licht ihn plötzlich zu verspotten schien. Er hob die Hand zur Kehle und hatte das Gefühl, nicht mehr ausreichend Luft zu bekommen. Ein zweiter Schwächeanfall so kurz nach dem auf Orinja, noch dazu nach einer extensiven Resurrektion? Der eigene Körper wird mir zum Feind, dachte Valdorian. Oder lag es an den Erinnerungen, die Chaos in ihm schufen, mit tausend Stimmen sprachen und von nicht genutzten Möglichkeiten flüsterten?
    Er drehte sich um, wankte durch die Gruft und stieg die Treppe hoch. Als er den Hauptraum erreichte, klärten sich seine Gedanken, und er hörte das Summen des Kom-Servos.
    Er holte das kleine Gerät hervor und öffnete einen Kanal. »Ja?«
    »Cordoban ist eingetroffen, Primus«, teilte ihm sein Sekretär Jonathan mit.
    »Er soll alles vorbereiten. Ich bin unterwegs.« Valdorian unterbrach die Verbindung und steckte den Kommunikationsservo wieder ein. Nach einem letzten Blick auf den Obelisken, Symbol des Begrenzten Seins, wandte er sich um und verließ das Mausoleum.
     
    Als Valdorian Cordoban sah, fühlte er sich auf drastische Weise an seinen Abscheu biotechnischen Erweiterungen gegenüber erinnert. Der Mann war eine echte Monstrosität. Im Lauf der letzten dreißig Jahre hatte er so viele Servokomponenten, Datenbankmodule, Schnittstellen und elektronische Erweiterungen in seinen Körper integrieren lassen, dass er wie ein Cyborg aussah, wie eine Mischung aus Mensch und Maschine. Das »Haar« auf dem Kopf bestand aus Mikronautenknoten und symbiotischen Fasern, die durch einen der Photosynthese ähnelnden, aber wesentlich effizienteren Vorgang dem Licht Energie entnahmen und sie dem Körper zur Verfügung stellten. Es hieß, dass Cordoban nur eine Mahlzeit am Tag zu sich nahm und mit sehr wenig Schlaf auskam. Er war auf der fernen, von der Allianz kontrollierten Erde geboren, vor vierundsechzig Jahren, auf der Iberischen Halbinsel, aber nichts an ihm erinnerte an einen Spanier. Mit der kalkweißen Haut und dem hohlwangigen Gesicht sah der rationale, emotionslose Cordoban trotz seiner relativ jungen Jahre wie ein lebender Toter aus, nicht von einem verrückten Arzt zum Leben erweckt, sondern von einem wahnsinnigen Kybernetiker erschaffen. Dutzende von Servo-Schnittstellen zeigten sich an Armen und Hals; Höcker unter dem ärmellosen, kittelartigen Umhang und der Hose des Mannes wiesen auf Geräte hin. Die braunen Augen wirkten überraschend menschlich, aber ihr Blick war so kalt wie Gletschereis. Valdorian fragte sich, ob dieser Mann jemals etwas empfand.
    Sie trafen sich im Vorzimmer des Projektionsraums, und Cordoban streckte die Hand aus. Es blieb Valdorian nichts anderes übrig, als sie zu ergreifen. Manchmal ekelte er sich regelrecht vor diesem seltsamen Mann, aber er respektierte ihn auch als jemanden, der dem Konsortium enorme Fortschritte ermöglicht hatte. Er war ein meisterhafter Stratege, der nichts dem Zufall überließ.
    Cordobans Hand war so kalt wie sein Blick.
    »Ich grüße Sie«, sagte er mit einer Stimme, die erstaunlich melodisch klang. Die Mikronauten auf seinem Kopf bewegten sich wie die eigenständigen Wesen, die sie waren – wenn man Nanomaschinen »Wesen« nennen durfte. »Jonathan hat mir von dem Anschlag auf Orinja und auch Ihrer persönlichen Situation berichtet. Es tut mir Leid.«
    Die Worte brachten nicht einmal einen Hauch Anteilnahme zum Ausdruck. Cordoban sprach so, als nannte er das Ergebnis einer sorgfältig durchgeführten Analyse.
    »Schon gut«, sagte Valdorian. Ihm fiel etwas ein. »Was ist mit Doppel-M?«
    In Cordobans Gesicht veränderte sich etwas, und vielleicht kam so etwas wie Neugier zum Vorschein. »Ich habe mich mit Kerberos in Verbindung gesetzt und das Projekt auf Eis gelegt. Glauben Sie wirklich, dass die Kantaki etwas davon

Weitere Kostenlose Bücher