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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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versuchte, dem Blick seines Vaters standzuhalten, aber es gelang ihm nicht. Nach einige Sekunden senkte er den Kopf, enttäuscht von sich selbst und der eigenen Schwäche.
    Hovan Aldritt legte die Hände auf den Rücken und wanderte durch den Saal, vorbei an anderen Podien mit Servi, Sitzecken, Pflanzen und Kunstwerken aller Art. Ein echter Rembrandt befand sich darunter – »Die Blendung Simsons« aus dem Jahre 1636 der alten Zeitrechnung. Die Porträts zeigten wichtige Persönlichkeiten aus naher und ferner Vergangenheit, viele von ihnen Monarchen, aber auch wichtige Geschäftsleute wie zum Beispiel Jonas Henry »Bill« Gates.
    »Eines Tages werden wir die Kontrolle über das Konsortium haben«, sagte Hovan Aldritt und kehrte zu seinem Sohn zurück, die Hände noch immer auf dem Rücken. Er wirkte wie ein nachdenklicher Professor, der ein wenig unzufrieden war mit einem seiner Studenten. »Darauf arbeite ich hin. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Bündnisse geschlossen werden. Das habe ich dir mehrmals erklärt.«
    »Ja, Vater. Ich verstehe, was Sie meinen.«
    »Es gibt Hinweise darauf, dass die Ursprünge unserer Familie bis in die Zeit der Ersten Dynastie zurückreichen.« Hovan Aldritt deutete auf ein entsprechendes Porträt. »Wie haben die Dynasten ihre Macht ausgeweitet? Hauptsächlich durch Kriege. Und wie haben sie Bündnisse geschlossen, um ihre Macht zu sichern? In vielen Fällen durch Ehen.«
    »Vater …«
    »Du kannst jede Frau haben, die du willst, Rungard. Das ist überhaupt kein Problem. Und ich versichere dir, dass dir kaum eine Frau die kalte Schulter zeigen wird. Die Faszination der Macht ist für viele von ihnen unwiderstehlich. Aber eine Ehe bedeutet Verpflichtung. Wenn du die richtige Frau zu deiner Ehepartnerin wählst, so stehen dir zusätzliche Ressourcen zur Verfügung, um die Valdorian-Unternehmensgruppe wachsen zu lassen. Bei einer Ehe muss der Kopf entscheiden, Rungard, nicht das Herz. Nimm nur die Konzerngruppe New Human Design. Die Gen-Technik hat sich zu einem sehr wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt, und ich bin sicher, dass ihre Bedeutung noch weiter zunimmt. NHD wird an Einfluss gewinnen. Ich bin bestrebt, gute Beziehungen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden herzustellen, und zufälligerweise hat er eine Tochter in deinem Alter …«
    Hat er schon alles arrangiert?, dachte Valdorian erschrocken.
    »Ich möchte Lidia heiraten, Vater«, sagte er nicht ohne Nachdruck.
    »Höre ich da Trotz?«, fragte Hovan Aldritt scharf. »Hat dir jene Frau so sehr den Kopf verdreht, dass du es an Respekt deinem Vater gegenüber mangeln lässt?«
    »Nein, natürlich nicht. Bitte entschuldigen Sie.«
    »Komm.«
    Hovan Aldritt Valdorian führte seinen Sohn durch die Fenstertür auf den breiten Balkon. Ein Servo reagierte auf sie und das Licht, fuhr automatisch eine Markise aus, die Schatten spendete. Unten erstreckte sich die Stadt an der Bucht, und das Scharlachrote Meer glitzerte im Licht der hoch am Himmel stehenden Sonne. Am Rand von Bellavista bemerkte Rungard Avar Valdorian den Gebäudekomplex der Akademie, weiß wie Kalk. Dort ist Lidia, dachte er und sah ihr Gesicht vor seinem inneren Auge – es gab ihm neuen Mut.
    »Setz dich«, sagte Hovan Aldritt und deutete auf einen kleinen Tisch mit mehreren Stühlen.
    Valdorian nahm Platz.
    Der kleine Tisch diente als Sockel für ein Schachbrett aus Edelholz, mit Figuren aus Kristall.
    »Wer sind wir, im Vergleich mit diesen Figuren?«, fragte Hovan Aldritt. »Bauern? Maximal zwei Felder weit können sie vorstoßen, und eigentlich haben sie nur strategische Bedeutung. Oft werden sie geopfert, um anderen Figuren entscheidende Vorstöße zu ermöglichen. Mit wem würdest du uns vergleichen, Rungard? Mit Läufern oder Springern? Mit dem Turm?«
    »Die Dame«, sagte Valdorian. »Auf dem kosmischen Schachbrett sind wir die Dame. Sie hat die meisten Möglichkeiten.«
    »Glaubst du?« Verärgert stieß sein Vater die Figuren um. »Du irrst dich, Rungard. Du hast noch immer nicht verstanden. Wir befinden uns gar nicht auf dem Schachbrett – wir stellen die Figuren auf und bestimmen die Spielregeln. Das unterscheidet uns von allen anderen. Und deine Lidia …« Er nahm einen Bauern und stellte ihn auf ein Feld. »Sie ist nichts weiter als dies. Eine einfache Figur, die ein anderer hin und her schiebt. Sie kann ihr Schicksal nicht selbst bestimmen und muss den Umständen gehorchen. Die Dynamik der Situation, in der sie sich befindet, bestimmt ihr Leben.

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