Kantaki 02 - Der Metamorph
weiche Synthomasse versteifte sich und wurde zu einem Helm. Der Autokrat schloss die Kragensiegel und vergewisserte sich, dass Luftversorgung, Heizung und Kom-Servo einwandfrei funktionierten.
Ulgar wartete.
»Also los«, sagte Stokkart.
Frilor und Telirei wandten sich der Vorrichtung zu und betätigten Kontrollen. Es summte, und metallene Arme wuchsen aus der Konstruktion, verharrten an bestimmten Stellen der schwarzen Wand. Hochenergetische Strahlbündel gleißten, dünn wie Nadeln, und gleichzeitig schienen sich kleine Nebelwolken zu bilden: Millionen von winzigen Mikronauten, nur einige Nanometer große Maschinen, nutzten die von den Strahlbündeln verursachte Materialdestabilisierung, um die atomare und molekulare Struktur aufzubrechen. Eine dünne Linie im Schwarz kennzeichnete diesen Vorgang und formte ein Rechteck, etwa zwei Meter hoch und einen breit. Andere metallene Arme sprühten Synthomasse und brachten Siegel an – eine Tür entstand.
Stokkart beobachtete den Vorgang fasziniert und fragte sich zum hundertsten Mal, was sich auf der anderen Seite befinden mochte. Er sah, wie sich mobile Servi aus der zentralen Masse des Apparats lösten, Käfern gleich über die schwarze Wand krabbelten und an der dünnen Linie verharrten, die Strahlnadeln und Mikronauten geschaffen hatten.
»Sie versuchen, den Druck auf der anderen Seite zu messen«, erklärte Ulgar. »Wir möchten schließlich nicht zerquetscht werden.«
Markins und Gurhan traten vor, hantierten an bestimmten Teilen der Vorrichtung und nahmen mit handlichen Infonauten die Messdaten der Servi entgegen. »Der Druck auf der anderen Seite ist ein wenig höher. Das Gasgemisch scheint atembar zu sein, aber ich halte es trotzdem für ratsam, dass wir die Helme aufbehalten. Sie schützen uns vor biologischer Kontamination.«
Der Autokrat nahm diesen Hinweis zum Anlass, die Biofilter seines Thermoanzugs zu überprüfen – alles in Ordnung.
Es zischte, als eine Verbindung zwischen Schleusenzimmer und dem Innern des fremden Objekts entstand. Innerhalb weniger Sekunden wurde es leiser, verstummte dann ganz.
»Der Druckausgleich ist hergestellt«, sagte Frilor.
Professor Ulgar gab ihm ein Zeichen, und daraufhin betätigte er die Kontrollen des Apparats.
Unterdruckmodule saugten sich an der »Tür« fest und zogen sie langsam, ganz langsam aus der Wand.
Dahinter…
… war alles dunkel.
Stokkart trat vor, blickte in die Öffnung und sah nur Finsternis.
Professor Ulgar trat selbst ans Bedienungsfeld des Apparats und betätigte die Kontrollen. Wieder bewegten sich die metallenen Arme, richteten Scheinwerfer aus…
Gleißend helles Licht flutete durch die Öffnung in der schwarzen Wand ins Innere des Artefakts, und für den Hauch eines Augenblicks glaubte Stokkart, ein Gesicht zu sehen, eine Fratze, die jedoch sofort wieder verschwand. Ein seltsames Durcheinander aus Fäden, Gespinsten und Blasen zeigte sich, blieb aber undeutlich und verschwommen – etwas schien das Licht aufzusaugen und zu verschlucken.
Dem Autokraten stockte für zwei oder drei Sekunden der Atem. Das Gesicht…
»Haben Sie es ebenfalls gesehen?«, fragte er.
»Was?«
»Die… Fratze?«
»Eine was?«, fragte Ulgar verdutzt.
»Schon gut.« Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, dachte Stokkart und sah erneut durch die Öffnung. So hell das Licht auch war, es reichte nicht weit, höchstens zehn Meter. Der Autokrat verglich den Anblick mit einer uralten, von Spinnweben durchzogenen Gruft, in dem jemand filigrane Netze gespannt hatte, um anschließend tausende von Ballons umherfliegen zu lassen. Die meisten dieser grauen Blasen hafteten irgendwo fest, aber andere schwebten noch immer umher. Seit zwanzig Millionen Jahren?, fragte sich Stokkart.
Es gab keine klaren Konturen; alle Dinge blieben ein wenig vage, wie bestrebt, sich den Blicken von Beobachtern zu entziehen. Und nach etwa zehn Metern nahm die Undeutlichkeit immer mehr zu, bis sich schließlich alles in Schwärze verlor.
»Wieso reicht das Licht nicht weiter?«, fragte Hopkins.
»Irgendetwas scheint es zu absorbieren«, erwiderte Diana Dankert.
»Eine Art photonischer Widerstand.« Ulgar löste die Lampe von seinem Instrumentengürtel, trat an die Seite des Autokraten und richtete einen fragenden Blick auf ihn. Als Stokkart nickte, schritt der Professor durch die Öffnung ins Innere des Artefakts. Das Licht der Scheinwerfer fiel auf ihn, aber trotzdem schien er mit jedem Schritt undeutlicher zu werden.
Stokkart
Weitere Kostenlose Bücher