Kantaki 02 - Der Metamorph
nahm seine eigene Lampe und folgte Ungar. Die anderen Wissenschaftler zögerten, bevor auch sie das fremde Objekt betraten.
Der Autokrat fühlte eine Veränderung, wusste sie aber nicht zu deuten. Etwas verschob sich, ohne seine Position zu wechseln. Vielleicht handelte es sich um einen Phasenübergang irgendeiner Art, überlegte er, sah sich um und vermied es, irgendetwas zu berühren. Als er zurücksah, wirkte die Öffnung in der Wand viel kleiner als erwartet; Dutzende Meter schienen ihn von ihr zu trennen.
Stokkart setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, auf einem schwarzen Boden, der an vielen Stellen Rillen, Mulden und Löcher aufwies. Er musste seine Aufmerksamkeit teilen zwischen dem Bemühen, einen sicheren Weg zu finden und nichts zu berühren. Dankert erschien rechts neben ihm, etwa drei Meter entfernt, wenn er sich auf diesen visuellen Eindruck verlassen konnte, und wandte sich einer der Kugeln zu, die an einem langen Faden klebte.
»Ich frage mich, was es mit diesen Blasen auf sich hat«, hörte er ihre Stimme aus dem kleinen Kom-Lautsprecher im Helm.
Sie hob die Hand…
Stokkart wusste, dass sie einen Fehler machte – die Alarmsirenen seines Instinkts heulten –, aber er kam nicht dazu, die Wissenschaftlerin zu warnen. Ihr Handschuh berührte die Blase, die daraufhin ihre Farbe veränderte, zitterte und platzte.
Ein oder zwei Sekunden lang stand Diana Dankert völlig reglos da, und dann… sackte sie in sich zusammen.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Sie fiel nicht nach vorn oder hinten, auch nicht zur Seite, sondern vertikal, schien zu schrumpfen. Der Schutzanzug löste sich auf, ebenso der Körper, den er enthielt. Ein Haufen Staub auf dem schwarzen Boden, mehr blieb nicht von Dankert übrig.
»Diana!«, stieß Frilor fassungslos aus.
»Lieber Himmel!«, ächzte Hopkins und näherte sich dem Haufen, gefolgt von den anderen Wissenschaftlern.
Der Blick des Autokraten huschte hin und her, während er mit seiner Lampe leuchtete. Für einen Sekundenbruchteil glaubte er, weiter vorn in der Finsternis erneut das Gesicht zu sehen, die Fratze. Im gleichen Augenblick spürte er, dass sich die Umgebung veränderte. Die Fäden und Gespinste gerieten in Bewegung, wie von einem sanften Wind erfasst, der plötzlich durch das Artefakt wehte.
Eine Blase schwebte Stokkart entgegen.
Er handelte, ohne zu denken, warf sich zur Seite, geriet auf eine schräge Fläche und begann zu rutschen, während Schreie aus dem Kom-Lautsprecher drangen. Auch der Boden ruhte jetzt nicht mehr; er begann zu zittern und zu vibrieren, wie der Leib eines gewaltigen Geschöpfs. Mit der einen Hand tastete Stokkart nach den Gürtelkontrollen seines Thermoanzugs und schaltete den Individualschild ein, der zu seiner Ausrüstung gehörte, während er mit der anderen versuchte, sich irgendwo festzuhalten. Er rutschte etwa vier oder fünf Meter weit, verharrte auf dem Rücken in einer Mulde, sah auf und beobachtete, wie sich die Blasen von den Fäden und spinnwebartigen Strukturen lösten. Lebenden Wesen gleich glitten sie umher, als würden sie nach etwas oder jemandem suchen.
Die Mulde war recht tief, was dem Autokraten den Blick zu den Seiten verwehrte. Er sah nur, was direkt über ihm geschah, hörte jedoch, wie die Schreie der Wissenschaftler verklangen, einer nach dem anderen. Schließlich herrschte gespenstische Stille.
Stokkart hörte nur noch das Geräusch des eigenen schweren Atmens. Eine Zeit lang blieb er so liegen, ohne sich zu rühren, atmete nur und lauschte.
»Professor Ulgar?«, flüsterte er dann. Die Anzeigen im Innern des Helms wiesen darauf hin, dass der Kom-Servo einwandfrei funktionierte. Er nannte auch die Namen der anderen Wissenschaftler, aber niemand antwortete. Es schwebten keine Blasen mehr über der Mulde, doch das bedeutete nicht viel; Stokkart wusste nicht, was sich außerhalb seines begrenzten Blickfelds befand.
Die Erinnerung zeigte ihm noch einmal, was mit Dankert und vielleicht auch den anderen geschehen war, und hinter diesen memorialen Bildern zeichnete sich schemenhaft die Fratze ab.
Zum ersten Mal regte sich so etwas wie Furcht in Stokkart.
Er zögerte noch einige Minuten, sammelte Mut und gab sich schließlich einen inneren Ruck. Vorsichtig hob er den Kopf und richtete sich so weit auf, dass er über den Rand der Mulde blicken konnte. Seine Lampe lag in der Nähe, und ihr Schein verlor sich in der Dunkelheit, wurde von der Finsternis gefressen. Nur einige wenige Blasen schwebten durch
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