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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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unmöglich.
    Kordun existierte nur in einer fiktiven Anderswelt, und allein die Verbindung mit einem AW-Datenservo ermöglichte es ihm, in seine Rolle zu schlüpfen. Er hob die Hände und betrachtete sie, stellte fest, dass es Korduns Hände waren, und seine Muskeln, seine Kraft, seine Entschlossenheit und sein Zorn auf… Echna? Nein. Dieser Kordun dachte nicht an den Gebieter der Schattenwelt und die Infernalische Garde, sondern an einen anderen Gegner, jemanden, der kleiner und schmächtiger war als er, gekleidet in Leder, schwarz wie die Nacht, das Gesicht hinter einer silbernen Maske verborgen.
    Ich warte auf dich.
    Kordun stand hoch aufgerichtet da und ballte so fest die Fäuste, dass sie leise knirschten. »Wo bist du?«, grollte er. Der Zweihänder hing an seinem Gürtel, aber er hatte keinen Rucksack mehr. Was auch immer geschah, er musste ohne seine magischen Utensilien zurechtkommen.
    Ich sitze nach wie vor in dem Levitatorwagen, dachte Lutor/Kordun und fragte sich, wie man einem Traum entkommen konnte, den man im wachen Zustand erlebte. Aber war dies wirklich nur ein Traum?
    Und dann sah er ihn, den anderen Krieger, jene geheimnisvolle Gestalt, die ihn verletzt hatte, obwohl man in einer Anderswelt gar nicht verletzt werden konnte. Wie als Bestätigung spürte er erneut dumpfen Schmerz, hob Korduns linken Arm und sah den roten Striemen einer vor kurzer Zeit verheilten Schnittwunde. Die Gestalt stand mitten auf der breiten Straße, kurz vor der Stelle, an der sie nach rechts abknickte und hinter einem hohen, leeren, toten Gebäude verschwand. Es wehte kein Wind, nichts regte sich, und Stille lag über der menschenleeren Stadt.
    Es gibt hier nur uns beide, dachte Lutor mit plötzlicher Gewissheit. Alles andere auf Kerberos ist tot, seit vielen, vielen Jahren.
    Als Kordun setzte er sich in Bewegung, ging mit langsamen und doch zielstrebigen Schritten. Die schweren Lederstiefel wirbelten den grauen Staub auf.
    Die schwarze Gestalt mit der silbernen Maske rührte sich nicht von der Stelle. Mit der Reglosigkeit einer Statue stand sie da, aber Lutor fühlte ihren wachen Blick.
    Einige Meter vor dem Fremden blieb er stehen, ohne das Schwert zu ziehen. »Wer bist du?«
    Ich bin wir, lautete die rätselhafte Antwort. Lutor wusste nicht, ob er die Worte hörte oder ob sie sein Gehirn ohne den Umweg über die Ohren erreichten.
    »Ich bin nicht wirklich hier«, sagte er. »Ich sitze an Bord eines Levitatorwagens. Eines abstürzenden Levitatorwagens.« Tausend Fragen bestürmten ihn, und zwei von ihnen lauteten: Verging in der Wirklichkeit Zeit, während er dies erlebte? Lief er Gefahr zu sterben, während er… träumte?
    Die Gestalt bewegte sich. Aus einem Reflex heraus zog Lutor den Flamberg und…
    … stand in einem langen Flur, den er sofort wieder erkannte. Er gehörte zur Residenz seines Vaters, zu dem großen Clanhaus, das vor vielen Jahrhunderten auf einem Hochplateau in den Tausend Graten auf Aburrka errichtet worden war, hoch über einem langen Fjord, dessen eisblaues Wasser fast tausend Meter weiter unten funkelte. Er ging an den Wänden entlang, betrachtete die alten Dokumente in den Schutzrahmen, statische dreidimensionale Bilder, Originalwaffen in Vitrinen, Andenken und mehr als nur das: Die meisten Waffen waren tatsächlich im Kampf gegen Feinde benutzt worden, erst gegen Menschen während der dynastischen Kriege, dann gegen die Temporalen während des tausendjährigen Zeitkriegs. Eine stolze Familie, deren Angehörige über Jahrhunderte hinweg Soldaten und Krieger gewesen waren, während der Zweiten Dynastie in den Diensten bestimmter Magnaten, während des Zeitkriegs im Dienst der ganzen Menschheit sowie der Kantaki und Feyn. Der Kordun-Clan. Eine Familie, die auf Aburrka besonders hohes Ansehen genoss. Lutor setzte ihre alten Traditionen auf seine Weise fort: als unerbittlicher Jäger.
    An einem Fenster blieb er stehen und blickte zum langen Fjord hinab, von Nostalgie und Heimweh erfasst. Als er sich umdrehte, sah er seinen Vater am Ende des Flurs, und das war unmöglich, denn sein Vater war seit mehr als zehn Jahren tot.
    Er streckte die Hand aus…
    … und hörte das Kreischen des Levitators. Die synthetischen Stimmen der Servi versuchten, ihm irgendetwas mitzuteilen, aber Lutor wusste auch so, dass die Bordsysteme des Wagens mit enormen Belastungen fertig werden mussten. Nein, dies war kein Traum. Dies geschah wirklich. Etwas passierte auf Kerberos, etwas, das nicht nur die Systeme seines

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