Kantaki 02 - Der Metamorph
Levitatorwagens durcheinander brachte. Die Lichter in den Verkehrskorridoren über Chiron tanzten in der Nacht, als wären sie den Launen eines heftigen Sturms ausgesetzt.
»Landeanflug«, wies Lutor den Hauptservo des Levitatorwagens an. »Bring mich nach unten.«
Als keine Reaktion erfolgte, griff er erneut nach den manuellen Kontrollen. Nur noch wenige hundert Meter trennten ihn vom Chaos in den Verkehrskorridoren der Stadt, und während er noch Ausschau hielt, kollidierten zwei große Transportkapseln und platzten auseinander. Lutor zwang den Levitatorwagen zur Seite, und es gelang ihm, etwas Höhe zu gewinnen und auf einen neuen Kurs zu gehen…
Ein Schlag traf ihn mitten im Gesicht, so heftig, dass er fast das Bewusstsein verlor…
Lutor lag mit dem Rücken im grauen Staub auf der Straße, tastete mit der Hand nach der Nase und wischte Blut fort.
Der Fremde stand über ihm, das Gesicht noch immer hinter der silbernen Maske verborgen. Er hielt keine Waffe in den Händen, hatte allein mit der Faust zugeschlagen.
Lutor besann sich auf Korduns Kraft, schüttelte die Benommenheit ab, stand halb auf und sprang. Er warf sich der Gestalt entgegen, hob mit der Rechten das Schwert auf, drehte sich in der Luft – wie herrlich war diese Agilität! –, landete auf den Beinen und schlug zu.
Doch der Fremde stand nicht dort, wo er ihn erwartet hatte, sondern hinter ihm.
Ein zweiter Schlag traf ihn, zwischen den Schulterblättern, schmetterte ihn mit solcher Wucht zu Boden, dass ihm der Aufprall die Luft aus den Lungen presste. Nach zwei oder drei Sekunden schaffte er es, sich umzudrehen.
Dort stand der Fremde, nur einen Meter entfernt, in der Hand jetzt ein Schwert, das er auf Lutor richtete. Die kalte, scharfe Spitze berührte ihn am Halsansatz.
»Wer bist du?«, brachte er hervor.
Ich bin wir, wiederholte der Fremde, hob die linke Hand und nahm die Maske ab.
Lutor sah in tausend verschiedene Gesichter…
… und etwas schien ihn zu zerreißen. Es krachte und donnerte um ihn herum, so laut, dass sich die synthetischen Stimmen der Servi völlig darin verloren. Der Sicherheitsharnisch schloss sich um ihn, so fest, dass ihm das Atmen schwer fiel, und ein Kompensationsfeld flackerte, absorbierte kinetische Energie, die ihn schwer verletzt oder gar getötet hätte.
Zeit verstrich. Lutor wusste nicht, wie lange er in dem Kokon aus Benommenheit verharrte, der Schmerzen und Fragen von ihm fern hielt. Irgendwann, vielleicht nach einigen Minuten, erschienen Gesichter in seinem Blickfeld – Sekuritos und medizinische Helfer –, und er hörte das Heulen von Sirenen.
Jemand löste den Sicherheitsharnisch, und man barg ihn aus dem Wrack des abgestürzten Levitatorwagens. Als man ihn zum nahen Rettungsfahrzeug trug, sah er mehrere Leichen – offenbar war der Wagen beim Absturz in eine Gruppe von Passanten gerast. Einige Schaulustige standen in der Nähe, und in ihrer Mitte glaubte Lutor, eine silberne Maske zu sehen.
Orbitalstation MeteoTech-14
Orbit von Kerberos
16. April 421 SN
21:15 Uhr
Es war Nacht an Bord, während unten der Tag von Kerberos dahinglitt, wieder einmal. Anton Filip, Chefmeteorologe der Orbitalstation, liebte diese Momente der Ruhe; der Anblick des Planeten jenseits der breiten Panoramafenster aus transparenter Stahlkeramik lud ihn zur Besinnung ein. Er saß an einer von insgesamt vier hufeisenförmigen Kontrollkonsolen in der Zentrale von MeteoTech-14, weit im Sessel zurückgelehnt, in den Händen einen Becher mit Aromakaffee. Gelegentlich sah er auf die Anzeigen, aber meistens blickte er nach draußen ins All und beobachtete, wie sich Kerberos unter ihm drehte. Eine große Landmasse erschien und glitt wie träge dahin. Meere reflektierten glitzernd das Licht der Sonne Hades: die Smaragdsee, das Riffmeer, der ausgedehnte Meridionale Ozean – blau und türkis, durchsetzt von tausenden kleiner und großer Inseln –, die teilweise zugefrorenen Polaren Meere. Alles wirkte irgendwie fragil, fand Filip, klein, empfindlich und zerbrechlich, die größten Ozeane ebenso wie die höchsten Berge. Es kommt eben auf den Blickwinkel an, dachte er, zufrieden mit sich selbst und der kleinen, überschaubaren Welt, die ihn umgab.
Während er sinnierte, beobachtete und Kaffee trank, näherte sich erneut der Terminator, jene Linie, die den Tag von der Nacht trennte. Er betrachtete die Wolkenmuster, las die von den verschiedenen Servi ins Fenster eingeblendeten Daten und stellte fest, dass sich über
Weitere Kostenlose Bücher