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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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und neutral, so bedeutsam wie einzelne Tropfen in einem Meer. Der Keim ist viel, viel wichtiger, dachte er. Er wartet auf mich, deshalb bin ich hierher gekommen, ich darf mich nicht ablenken lassen, wie herrlich das neue Leben ist, die Flotte bleibt in Alarmbereitschaft für den Fall, dass das andere Artefakt aktiv wird, es ist gut, dass die Flotte hier ist, darum der Transfer zum Arsenalplanetoiden, ja, ich brauche die Flotte, um das andere Artefakt zu vernichten, wenn es den Keim bedroht…
    »Was ist mit dem goldenen Artefakt?«, fragte Valdorian und sah zur Seite. »Beschreiben Sie es mir noch einmal.«
     
    Edwald Emmerson hatte das schreckliche Gefühl, dass sich ein Albtraum zu wiederholen begann.
    Er wusste, was ihn auf dem Meeresgrund – beziehungsweise darunter – erwartete, die Erinnerungsbilder waren viel zu deutlich. Während die Lichtfinger der Tauchboot-Scheinwerfer durch die Finsternis tasteten, glaubte er zu sehen, wie sich ein Teil der Dunkelheit verdichtete. Vager Schmerz kroch vom Nacken durch den Schädel, ein Vorbote der Qual, die Raphael in den Selbstmord getrieben hatte? Oder bildete er sich den Schmerz nur ein?
    Nicht ein einziges maritimes Geschöpf erschien im Licht der Scheinwerfer, bemerkte Emmerson. Das Riffmeer schien wie tot, als das Tauchboot der Station am Meeresgrund entgegensank.
    Valdorians Frage riss ihn aus seinen Grübeleien. Er kam der Aufforderung nach und beschrieb noch einmal das erste Artefakt, das Raphael ihm gezeigt hatte, die goldene Fläche, die in einem Raum aus dem Sedimentgestein ragte.
    »Und sie war warm?«
    »Ja«, sagte Emmerson. Er atmete tief durch und versuchte es noch einmal. »Ich appelliere an Ihre Vernunft, Magnat. Lassen Sie uns nach Chiron zurückkehren. Was auch immer es mit den beiden Artefakten auf sich hat: Die temporale Anomalie, deren Auswirkungen wir zu spüren bekommen haben, steht bestimmt damit in Zusammenhang. Ich weiß nicht, was sich der Autokrat von den Artefakten erhoffte, aber ich weiß, dass solche Anomalien nicht einfach so entstehen. Wenn es sich wirklich um den Versuch der Temporalen handelt, in unsere Epoche zurückzukehren, so sollten wir sofort etwas dagegen unternehmen. Machen Sie von der Feuerkraft Ihrer Schiffe Gebrauch. Vernichten Sie die beiden Artefakte, bevor es zu spät ist.«
    Die letzten Worte schien Valdorian gar nicht mehr zu hören. Er neigte den Kopf zur Seite, und sein Blick kehrte sich nach innen, als er erneut den Eindruck erweckte, einer Stimme zu lauschen, die nur er hörte.
    »Magnat Valdorian?«
    Der Mann vor dem Kontrollpult reagierte nicht, wirkte wie in einem Stupor gefangen. Emmerson sah nach hinten, zu den drei Soldaten, die mit stoischer Ruhe dasaßen. Man hätte sie für apathisch halten können, wenn nicht das aufmerksame Funkeln in ihren Augen gewesen wäre. Ihnen gegenüber sah Dido auf dem herausgeklappten Sitz wie jemand aus, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort fühlte. Emmerson wusste, dass der Mann zu den engsten Mitarbeitern des Autokraten zählte und bisher so vernünftig gewesen war, auf Drogen zu verzichten. Die gegenwärtige Situation verwirrte ihn zutiefst, und als Emmersons Blick ihn streifte, zeigte Didos Miene eine stumme Bitte: Helfen Sie mir.
    Ich kann nicht einmal mir selbst helfen, dachte Emmerson.
    »Die Artefakte vernichten?«, sagte Valdorian plötzlich. Er sprach so, als wäre er nicht zehn oder mehr Sekunden still geblieben. »Vielleicht eines von ihnen. Aber das andere gewiss nicht.«
    Emmerson musterte ihn aufmerksam. »Was wissen Sie von den Artefakten?«
    Wieder glitt Valdorians Blick fort, irgendwohin. »Oh, ich weiß genug. Ja, genug.«
    Emmerson schauderte innerlich und sah auf die Instrumente, um sich von dem Mann an seiner Seite abzulenken. Die Anzeigen wiesen darauf hin, dass sie sich dem Meeresgrund näherten. Um sie herum blieb alles pechschwarz, und er versuchte, sich daran zu erinnern, ob Raphael und er die externen Lampen der Station wieder eingeschaltet hatten. Dieser Gedanke brachte die Furcht zurück. Man nehme alle Phobien zusammen, die sich die kranke Phantasie eines Psychiaters ausdenken konnte, man presse sie, bis sich ihr Inhalt, ihre Essenz, im psychisch-emotionalen Äquivalent eines Extrakts konzentrierte – dann bekam man das, was Emmerson bei seiner Flucht aus der Station auf dem Meeresgrund gefühlt hatte. Das Wort Entsetzen reichte nicht aus, um es zu beschreiben. Und diesem Etwas, das in der Tiefe auf der Lauer lag, näherten sie sich nun.

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