Kantaki 02 - Der Metamorph
schweres Trauma erlitten, und vielleicht brauchte er medizinisch-psychologische Betreuung. Andererseits: Die verblüffend schnelle Erholung von der fast fatalen Schusswunde ließ eigentlich nur den Schluss zu, dass er ein Selbstheiler war, und die Kraft würde nicht nur den Körper heilen, sondern auch den Geist.
Auf der anderen Seite des Platzes, an dem breiten Weg, der zu den verschiedenen Hafensektionen führte, gab es mehrere große Grillstände, die Passanten frisch zubereiteten Fisch und andere Spezialitäten anboten. Rosalindas Stand befand sich an der üblichen Stelle, und Eklund hielt direkt darauf zu.
»Rosalinda ist eine alte Bekannte von mir«, erklärte er dem stummen Jungen. »Ich habe ihr mehrmals geholfen, und auch ihren beiden Kindern. Sind etwa in deinem Alter, weißt du. Vor einigen Jahren litten sie am Syndrom, und ich habe sie geheilt. Dafür ist sie mir noch immer dankbar.« Er winkte der Frau am Grill zu. »Hallo, Linda!«
»Oh, Eklund!«, freute sich die Frau. Sie war etwa vierzig, und ein anstrengendes Leben hatte Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Doch ihr Lächeln schien einem Mädchen zu gehören, so unschuldig und unbeschwert wirkte es. »Ich habe Sie seit einigen Wochen nicht mehr gesehen.«
»Chiron ist groß«, sagte Eklund. »Und ich verlasse die Zitadelle nicht jeden Tag.«
Rosalinda packte für einen Kunden mehrere zart gebackene Dornfische ein, wandte sich dann Eklund zu und wischte ihre Hand an der Schürze ab, bevor sie sie ihm reichte.
»Und das ist…?« Sie sah den Jungen an.
»Raimon. Er spricht nur wenig.«
»Und ich nehme an, er hat… Hunger?«
Eklund behielt den Knaben aufmerksam im Auge und beobachtete, wie sich der undeutbare Glanz in seinen Augen ein wenig veränderte. Für einen Sekundenbruchteil glaubte er, etwas Raubtierhaftes zu sehen, wie das Blitzen in den Pupillen eines Springteufels im Kontinentalwald, unmittelbar vor dem Sprung auf ein Opfer. Doch jenes sonderbare Licht verschwand so schnell, dass Eklund nicht sicher war, es wirklich gesehen zu haben.
Rosalinda schnitt ein ovales Syntho-Brötchen auf, legte erst eine Scheibe Würzsalat und dann eine gegrillte Riffgarnele hinein. »Hier, das wird dir schmecken.«
Raimon nahm das Brötchen entgegen, betrachtete es und schien nicht zu wissen, was er damit anstellen sollte.
»Nur zu, iss.« Eklund deutete auf den Mund.
Raimon kam der Aufforderung zögernd nach, biss in das Brötchen und kaute, erst zaghaft, wie jemand, der nicht genau wusste, wie er mit seinen Kauwerkzeugen umgehen sollte, dann mit mehr Appetit.
»Und ob es ihm schmeckt«, sagte Eklund zufrieden und sah die Frau am Grill an. »Linda…«
»Sie brauchen natürlich nichts dafür zu bezahlen. Wäre ja noch schöner. Sie haben mir oft genug geholfen.« Sie griff nach einem weiteren Brötchen. »Wenn Sie ebenfalls eins möchten…«
»Ich habe bei Elisabeth gefrühstückt, im Hospital.« Er trat näher und griff nach Rosalindas linker Hand. »Was macht Ihre Migräne?«
»Oh, die Kopfschmerzen sind nicht mehr annähernd so stark wie früher. Danke dafür.«
»Aber Sie leiden noch immer an ihnen, nicht wahr? Mal sind sie stärker, mal schwächer, habe ich Recht?« Eklund seufzte. »Es gibt bessere Heiler als mich. Und außerdem bin ich alt geworden, es lässt sich nicht länger leugnen. Aber vielleicht…«
Seine Finger drückten sanft zu, und er schloss die Augen, griff nach der Kraft, die er immer in Reichweite wusste. Manche Heiler schienen besonders große Hände zu haben, denn sie schafften es, viel Kraft zu schöpfen. Bei ihm rann ein Teil davon wie feiner Sand durch die Finger, bevor er sie nutzen konnte. Diesmal brauchte er nicht Kontakt mit dem Elysium aufzunehmen, denn für so kleine Dinge – die Verbannung von oberflächlichem Schmerz – genügte die Kraft, die auf Kerberos alles durchdrang. Die Beseitigung von Ursachen, echte Heilung… so etwas erforderte die Kraft in der Welt über der Welt. Doch nachdem er Rebecca geholfen und Raimon im Elysium begegnet war, brauchte die Gabe in ihm einige Zeit, sich zu regenerieren. Die Angehörigen der Aufgeklärten Gemeinschaft konnten durch allzu häufigen Gebrauch dieser Kraft ausbrennen, wenn sie nicht Acht gaben.
Eklund sah einen dunklen Fleck an Rosalindas Kopf, hob die mentale Hand und wischte ihn fort. Selbst diese kleine Geste bescherte ihm neue Müdigkeit, was ihn darauf hinwies, dass er für heute genug geleistet hatte. Als er die Hand wieder sinken ließ und die Lider
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