Kantaki 02 - Der Metamorph
stand in der Nähe.
Lutor bemerkte die Gestalt erst jetzt: ein Krieger wie er, kleiner und schmächtiger, gekleidet in Leder, schwarz wie die Nacht. Das Gesicht verbarg sich hinter einer silbrig glänzenden Maske.
» Er ist es, er ist«, tönte die Stimme des Kuiki aus dem Rucksack, obwohl das Männchen den Fremden gar nicht sehen konnte.
Aufregung erfasste Lutor. Was hatten sich die Programmierer diesmal einfallen lassen? Eine Überraschung, zweifellos…
Langsam trat er dem Fremden entgegen, an dessen Gürtel ein Schwert hing, kleiner als der Zweihänder in seiner Hand. »Ich nehme an, du bist ein weiterer Bote Echnas, nicht wahr?«, fragte er, fühlte und genoss erneut die Kraft seines Körpers. Niemand konnte ihn besiegen, niemand war ihm gewachsen.
Die Gestalt bewegte sich, und plötzlich hielt sie ihr Schwert in der Hand. Lutor blieb abrupt stehen – er hatte nicht gesehen, wie die Waffe in die Hand des Fremden gelangt war.
»Guter Trick«, sagte Lutor. »Unter anderen Umständen hätte ich dich vielleicht gebeten, ihn mir beizubringen. Aber wenn ich mit dir fertig bin, kannst du niemandem mehr etwas zeigen.«
Er holte zu einem wuchtigen Hieb aus und schlug zu. Der Fremde wich agil wie eine Katze zur Seite, und sein kleineres Schwert schlug gegen den größeren Zweihänder. Lutor knurrte überrascht, als ihm der Flamberg fast aus der Hand gerissen worden wäre. Im letzten Augenblick verlagerte er sein Gewicht, schloss die Hand fester ums Heft und verhinderte dadurch, seinem Gegner waffenlos ausgeliefert zu sein.
»Wie hast du das angestellt?«, fragte er verblüfft, und erstes, leises Unbehagen regte sich in ihm. Das Verhalten der übrigen Echna-Schergen folgte einem gewissen Muster, und dieser Fremde passte nicht ins Bild. Er hatte nichts Dämonisches, und genau dadurch wurde er unheimlich. Hinzu kam sein verblüffendes Geschick im Umgang mit dem Schwert.
»Wer bist du?«, fragte er leise, duckte sich und schlich langsam um seinen Widersacher herum, der ihm eine Antwort schuldig blieb. Was auch immer der Fremde dachte und fühlte – die silberne Maske verbarg sein Gesicht und verriet nichts. Hinter den Augenschlitzen blitzte es.
Lutor sprang vor, innerlich jetzt auf einen gefährlichen Gegner eingestellt, schwang den Zweihänder und schlug schnell hintereinander zu. Der Fremde wich aus, mit geschmeidigen, fließenden, mühelosen Bewegungen, die wie ein Tanz wirkten. Lutor folgte ihm, ließ den Flamberg kreisen. Manchmal berührten sich die Klingen, aber meistens schnitt der Zweihänder, den Lutor auch jetzt nur mit einer Hand führte, durch leere Luft.
Und dann, als er erneut ausholte, noch zorniger und entschlossener als zuvor, schlug der Fremde zu. Die Spitze des kleineren Schwerts bohrte sich Lutor in den linken Arm, und Blut quoll aus der Wunde. Schmerz raste durch Korduns Körper, und Lutor begriff sofort, dass es eine Art von Schmerz war, wie er sie an diesem Ort nie erwartet hätte. Es war echter Schmerz.
Der Fremde stand vor ihm, nicht einmal zwei Meter entfernt, das Schwert gesenkt, und Lutor sah erneut das Funkeln in den Augenschlitzen.
Dann veränderte sich abrupt die Umgebung.
Er fand sich im Ruhesessel wieder – der AW-Datenservo hatte die Ausführung des Anderswelt-Programms unterbrochen. An der biometrischen Konsole blinkten mehrere rote Warnindikatoren.
Fassungslos blickte Lutor auf seinen linken Arm und beobachtete, wie eine Wunde blutete, die es eigentlich gar nicht geben durfte.
Im Null
Inzwischen wusste Agorax nicht mehr, wie oft er auf seine Hände gestarrt und in Reflektoren geblickt hatte – hundertmal, tausendmal. Immer fand er bestätigt, was er kaum glauben konnte.
Er trug die Male.
Und das bedeutete, dass er zu einem Säkularen wurde.
Die Male boten den deutlichsten äußeren Hinweis, aber er spürte auch die Veränderungen in seinem Innern, die Körper und Geist betrafen. Er fühlte, wie er sich in ein Neutrum verwandelte, und damit ging auch deshalb kein Bedauern einher, weil sich seine Emotionen immer mehr zurückzogen, dabei an Bedeutung verloren. Sie wichen kühler Rationalität von einer Art, wie er sie bisher noch nie kennen gelernt hatte. Diese kalte Logik war es gewesen, die Pergamon dazu veranlasst hatte, sich selbst zu opfern. Agorax sah noch nicht alle Einzelheiten seines großen Plans, aber er erkannte die Richtung, in die er führte. Pergamons Tod öffnete eine Tür, und dahinter erstreckte sich der Weg in die Freiheit.
Agorax
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