Kantaki 02 - Der Metamorph
staunte, während er versuchte, seine wirbelnden Gedanken zu ordnen. Hände berührten ihn – Eterne betraten das Präparationszimmer und verließen es wieder, ein Strom, der kein Ende zu haben schien –, strichen irgendwelche Substanzen auf die Schuppen, gaben und nahmen. Mehrere von ihnen trugen seinen letzten Samen fort, und Agorax glaubte, in den ihn umgebenden Schlieren mehrere Prämütter mit Brutkapseln auf dem Rücken zu sehen. Die Erkenntnis, dass er bald Vater werden würde, rief keine emotionale Reaktion in ihm hervor.
Erneut sah er auf seine Hände hinab, und sie schienen zu wachsen, sein ganzes Blickfeld auszufüllen. Flecken hatten sich darauf gebildet und formten die bekannten Veränderungsmuster. Selbst das Staunen ließ jetzt nach. Verwunderung und dann Verstehen ersetzten es.
Die äußeren Geschlechtsteile fielen von ihm ab. Dort, wo sich die Samenknospen befunden hatten, entstanden kleine Schuppen und gesellten sich den größeren hinzu, die den Rest seines Körpers bedeckten.
Die bunten Schlieren vor ihm blieben und verschleierten alles, was sich dahinter befand. Die Bewegungen waren schemenhaft, die Einzelheiten verborgen.
Das Gehirn muss sich an den modifizierten Metabolismus gewöhnen, dachte Agorax. Bald kann ich wieder klar sehen.
Er wurde unsterblich.
Die Ewigkeit erstreckte sich vor ihm.
Er war ein Observant gewesen, ein Suggestor, der die Anerkennung seines Volkes genoss. Aber jetzt gebührte ihm ein Platz im Zirkel der Sieben…
Als sich der Nebel vor seinen Augen auflöste, trugen ihn singende Bedienstete durch Äon, vorbei an zahllosen Eternen, die Gesten des Respekts und der Ehrerbietung vollführten. Aus der Trauer um Pergamons Tod wurde Freude über den neuen Säkularen, der den Zirkel der Sieben wieder vervollständigte.
Pergamon hat euch allen das Leben gerettet, wollte Agorax rufen, aber es blieb bei dem Gedanken. Pergamon hatte mehr getan als nur eine Katastrophe verhindert. Er hatte gleichzeitig den Weg für den endgültigen Triumph der Eternen geöffnet.
Das verstand Agorax jetzt.
Irgendwann leerten sich die Korridore, und schließlich erreichten sie den Bereich von Äon, der allein den Säkularen vorbehalten war. Die Bediensteten setzten ihn ab, und einer von ihnen sagte: »Von hier müssen Sie den Weg allein fortsetzen.«
Agorax hob die Hand, und die Bewegungen seiner Tentakelfinger vermittelten Zustimmung. Er ging los, in einem veränderten Körper, an dessen neue Empfindungen er sich noch gewöhnen musste, gehüllt in ein Zeremoniengewand, das sich immer wieder an Armen und Beinen zu verheddern drohte. Er schritt an Dingen vorbei, die aus den Anfängen der Eternen stammten, aus einer Epoche, als sie noch nicht imstande gewesen waren, die Energie der Zeit zu nutzen und sich ganz nach Belieben in allen Zeitströmen zu bewegen. Diese Fähigkeit hatten sie erst erlangt, als sie dem Ruf des Omnivors gefolgt waren. Agorax schenkte den Objekten keine Beachtung – dafür gab es später Gelegenheit genug – und konzentrierte sich auf das, was ihn nun erwartete.
Ein Portal öffnete sich vor ihm, und er trat hindurch, in einen hell erleuchteten, runden Raum mit transparenter Decke. Jenseits davon schwebte die Zeitflotte, flankiert von den riesigen schwarzen Schiffen der Kantaki, die sich von ihrem Volk abgespalten hatten. Ein imposanter Anblick, aber das Bild der Macht täuschte: Die Schiffe waren hilflos, wie Äon und seine Bewohner im Null gefangen.
Sechs thronartige Sessel standen in einem Halbkreis vor einem siebten, der im Gegensatz zu ihnen leer war. Einer der sechs sitzenden Säkularen erhob sich, sah Agorax an und deutete auf den siebten Sessel, der noch ein wenig größer war als die sechs anderen.
Agorax nahm Platz.
Hinter den sechs Sesseln vor ihm, in einem schattigen Bereich des Raums, sah er fünf Kantaki: die Großen Fünf der Renegaten. Sie warteten, ebenso wie die Säkularen.
Agorax näherte sich dem siebten Sessel und begriff, dass ihm eine noch größere Ehre widerfuhr, als er bisher angenommen hatte. Er war nicht nur unsterblich geworden und damit ein Mitglied des Zirkels der Sieben – er wurde sogar zum Oberhaupt der Säkularen. Damit trat er als Mitglied von Pergamons Zirkel – er trug noch immer den Zirkelring an einem Tentakelfinger – dessen unmittelbare Nachfolge an.
Pergamons Erbe stellte für ihn eine schwere Bürde dar und gleichzeitig etwas Beflügelndes. Er bedeutete Verantwortung, große Verantwortung, außerdem Hoffnung und
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