Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
Schemen vor dem Licht …«
Diamant hob den Kom-Servo und lauschte einer Stimme, die Valdorian nur als wortloses Flüstern hörte.
»Offenbar befinden wir uns zwischen zwei großen Galaxienhaufen«, sagte sie. »Unsere Position ist noch nicht klar, und damit meine ich die in Raum und Zeit. Aber wenn Sie Recht haben, wenn wir wirklich in der objektiven Zeit sind, so fällt es Ihnen vielleicht leichter, an die benötigten Informationen zu gelangen.«
Ein vages Lächeln erschien auf Xadelias Gesicht, und der Symbiont, der eine Art Decke um ihren Leib bildete, bewegte sich wie aufgeregt. »Dies ist die Zeit, in der sich die Dinge tatsächlich zugetragen haben. Dies ist die Zeit, in der die Kausalität wurzelt. Die Netzechos der Feyn, die einst lebten, sind stärker geworden. Ich höre sie in weiter Ferne, und sie gehen von einem Punkt aus, der …«
Der Partussessel geriet in Bewegung, als sich Xadelia etwas weiter aufsetzte. Mechanismen summten und surrten, und mehrgelenkige Arme aus einem hornartigen Material berührten die Vitalin an den Schultern und am Kopf. »Der originäre Manipulationspunkt … Ich sehe ihn wie einen Fleck im reinen Muster der Kausalität.«
Diamant sah Valdorian an. »Vielleicht brauchen wir Sie gar nicht«, sagte sie kalt.
»Aber …«
»Er ist nicht nur mit dieser Zeit und dieser Realität verbunden.« Xadelia sprach wie in einem Traum. »Ich sehe eine Linie, die zu dem … Schemen führt.«
Sie löste ihre Hand von der Diamants, berührte Valdorian …
Die externe Welt verschwand, löste sich in Dunkelheit auf, doch es war eine Finsternis, die auf das Fehlen von visueller Wahrnehmung zurückging. Auch die anderen Sinne versagten: Er hörte und fühlte nichts, roch und schmeckte nichts. Er schwebte, stand oder saß in einer Welt, die ihm vollkommen verborgen blieb, die, soweit es ihn betraf, überhaupt nicht existierte. Nur seine Gedanken waren real, aber er fürchtete, dass er schon sehr bald an ihrer Realität zweifeln würde, wenn dieser Zustand länger andauerte.
»Haben Sie keine Angst«, ertönte eine Stimme, und er wäre selbst dann erleichtert gewesen, wenn sie »Detonation in zehn Sekunden« gesagt hätte. Er war nicht allein, und es gab eine Welt da draußen.
»Xadelia?«
»Ja. Ich kann Ihre Verbindungen besser erkennen, wenn Ihre ganze Aufmerksamkeit nach innen gerichtet ist. Lassen Sie sich von mir leiten.«
»Ich bin bereit«, sagte Valdorian und hoffte, dass auch Diamant diese Worte hörte.
Die Stille kehrte zurück, und seltsame Wahrnehmungen stellten sich ein – falls sie nicht nur dem Wunsch seines Bewusstseins entsprangen, irgendetwas von draußen zu empfangen. Er glaubte, Stimmen zu fühlen, zahllose leise Stimmen, und sie erinnerten ihn an seine kindlichen Vorstellungen von einem Bienenstock: Als kleiner Junge hatte er geglaubt, dass es sich im Inneren eines Stocks so anhören musste, wenn man eine Biene war und die Sprache der Bienen beherrschte. Worte verstand er nicht, aber eine seltsame Gewissheit begleitete das Gefühl von den Stimmen, die absolute Sicherheit, dass sie Muster bildeten, deren Bedeutung über die von verständlichen Worten hinausging. Hinter den Stimmen waren … Dinge miteinander verbunden, und in jenen Verbindungen gab es eine Gewichtung von Ursache und Wirkung. In dem Netz jenseits des geisterhaften wortlosen Flüsterns existierte kein Zufall; alles ließ sich auf die komplexen Wechselwirkungen von Ursache und Wirkung zurückzuführen. Die Muster bestanden aus Kausalität, eines über dem anderen, millionen- und milliardenfach, alles miteinander verknüpft und verwoben.
Kummer überfiel ihn, eine Trauer, die in jede Zelle seines Körpers zu kriechen schien: der Kummer, der Xadelias Gedanken begleitete, seit sie Feyindar verlassen hatte, seit es den Temporalen gelungen war, die Feyn in allen Zeitlinien auszulöschen. Bis auf diese letzten vier, drei Ernter und eine Vitalin. Der unerfüllte Wunsch zu fliegen hatte im Vergleich mit dieser Trauer nicht mehr Bedeutung als eine Schneeflocke für eine polare Eiskappe. Das Flüstern und Raunen … Valdorian begriff, dass es sich um die Echos von Stimmen handelte, die einst lauter und deutlicher gewesen waren, die Stimmen all der vielen Kinder der Vitalin, und der Nachkommen der anderen Vitalinnen – ein gewaltiger, voller Leben steckender Chor. Doch jetzt war die Bühne leer, auf der dieser Chor einst gesungen hatte, und nur noch Xadelia saß dort, letzte Mutter ihres Volkes … Wie konnte
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