Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
zu, ich warte.«
    Die Kinder sahen neugierig zu ihnen auf, die Gesichter unschuldig und ohne Furcht. Sie lenkten Valdorians Gedanken in eine ganz andere Richtung. »Was passiert mit all diesen Menschen?«
    »Fünfundneunzig Prozent von ihnen kommen ums Leben, wenn das Asteroidenfragment unweit von hier ins Meer stürzt«, antwortete Diamant auf InterLingua. »Ebenso wie mehr als achtzig Prozent der Bewohner der Küstenabschnitte. Der hiesige Tsunami wird nicht annähernd so stark sein wie der im Pazifik, aber die Flutwelle wird trotzdem enorme Verwüstungen im östlichen Sizilien und westlichen Kalabrien anrichten. Außerdem wird es zu heftigen Erdbeben und zu Ausbrüchen der Vulkane Ätna, Stromboli und Vesuv weiter im Norden kommen. Die Brücke über uns, vor sechzig Jahren dieser Zeit als Jahrhundert- oder gar Jahrtausendbauwerk gefeiert, wird einstürzen. Aber interessiert Sie das, Dorian? Sie sind doch daran gewöhnt, immer nur an sich selbst zu denken.«
    Eine scharfe Erwiderung lag auf Valdorians Zunge, doch er schluckte sie hinunter und deutete nach vorn. »Sie sprachen davon, etwas arrangiert zu haben. Wie wollen Sie diese schwimmende Stadt verlassen und rechtzeitig die Ausgangsbasis des Widerstands erreichen?«
    »Wir können nicht so einfach ins Meer springen und schwimmen – die Patrouillenboote würden uns sofort wieder aus dem Wasser fischen. Also tauchen wir.«
     
    »In Situationen wie dieser gibt es immer Leute wie Sie, die kein Gewissen haben und die Lage ausnutzen, um Geld zu verdienen«, sagte Diamant, als sie ihren Weg durch die Peripherie des großen Lagers fortsetzten, vorbei an Zelten und kleineren Baracken. Die Sonne brannte heiß vom Himmel, und nur die hohe Brücke mit dem brummenden Verkehr spendete ein wenig Schatten. »Einen solchen Mann habe ich gesucht und gefunden, während Sie im Lazarett lagen.«
    Valdorian ließ sich auch diesmal nicht ködern und schwieg.
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte Diamant nach einer Weile, als das Schweigen ihres Begleiters andauerte.
    Valdorian nickte nur und dachte an die Katastrophe, zu der es in zwei Tagen kommen würde. Inzwischen erinnerte er sich wieder an bestimmten Dinge, an historische Fakten aus Memo-Schulungen, denen er sich vor etwa hundertdreißig Jahren als Junge hatte unterziehen müssen. Doch jene Basisinformationen, die alle Schüler mithilfe memorialer Lektionen in sich aufnahmen, waren im Lauf der Zeit von anderen Dingen zurückgedrängt worden, an die es sich zu erinnern galt – die meisten von ihnen betrafen das Konsortium und seine Geschäfte. Was übrig geblieben war, erwachte zu geisterhaftem Leben und zeigte ihm eine halb verwüstete Erde, die jedoch bald darauf zur Wiege einer neuen Menschheit wurde, denn mit dem Eintreffen des ersten Kantaki-Schiffes im Jahr 2075 der alten Zeitrechnung begann das Zeitalter der Großen Expansion.
    »Wir sind da«, sagte Diamant und deutete auf ein unscheinbares weißes Zelt. Neben dem Eingang standen mehrere junge Männer, die den Eindruck erweckten, entspannt miteinander zu plaudern, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Aber Valdorian erkannte die subtilen Anzeichen von wacher Aufmerksamkeit. Wächter.
    Diamant trat an einen von ihnen heran. »Ich habe mit Antonio gesprochen. Er weiß Bescheid.«
    Der junge Mann, den sie angesprochen hatte, drehte den Kopf, streifte Valdorian mit einem Blick, sah Diamant an und lächelte. Er sagte etwas, das wie »Wabene« klang, und der Linguator übersetzte: »In Ordnung.«
    Als sie das Zelt betraten, kam ihnen ein Mann in mittleren Jahren entgegen, so schlank, dass er fast ausgemergelt wirkte, das faltige Gesicht fast so dunkel wie die Augen, in denen Valdorian die gleiche Wachsamkeit sah wie bei den jungen Leuten draußen. Außerdem bemerkte er jene Hinweise, die er schon in jungen Jahren zu erkennen gelernt hatte: Dieser Mann hatte Autorität, in seiner eigenen kleinen Welt.
    Er nickte Valdorian kurz zu und wandte sich dann an Diamant. »Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie so dringend nach Reggio wollen.«
    »Uns ist es hier zu eng.«
    Antonio wölbte ein Braue, die ebenso grau meliert war wie das Haar. »In Reggio sieht es nicht viel anders aus.«
    »Aber dort gibt es andere Möglichkeiten.«
    Antonio nickte langsam.
    »Zehntausend«, sagte er.
    »Wir hatten von achttausend gesprochen.«
    »Inflation.« Er streckte die Hand aus. »Im Voraus.«
    »Auch darüber haben wir gesprochen«, sagte Diamant, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Sie

Weitere Kostenlose Bücher