Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
Das Lazarett, in dem Valdorian zu sich gekommen war, befand sich an der Peripherie dieser schwimmenden Stadt, und mehrere große, rostige Schiffe lagen an den Landungsstegen. Ihre Fahnen flatterten in einem Wind, der ein wenig Erleichterung von der Hitze brachte, zeigten Farben und Symbole, die Valdorian nicht zu deuten wusste. Eine lange Hängebrücke reichte hoch über das Lager hinweg und verband die beiden Landmassen miteinander.
Nicht weit entfernt, auf einem anderen Ponton, stand ein weiteres großes Zelt hinter einer Ansammlung aus improvisiert anmutenden Unterkünften, und Valdorian machte sich in der Hoffnung auf den Weg, dort die »Registratur« zu finden.
Er ging durch eine Welt voller Lärm. Überall erklangen Stimmen, und die meisten Menschen schienen sich schreiend zu verständigen. Hier und dort stieg Rauch von offenen Feuern auf, die offenbar der Zubereitung von Mahlzeiten dienten; an anderen Stellen wurde mithilfe von elektrischen Geräten gekocht. Brummende Generatoren lieferten den notwendigen Strom. Musik plärrte aus Lautsprechern. Kinder sausten hin und her. Frauen wuschen Wäsche in großen, halbautomatischen Bottichen. Und von oben, von der langen Brücke zwischen den Landmassen, kam das Donnern des Verkehrs. Endlose Schlangen aus großen und kleinen Fahrzeugen rollten über die Brücke, anstatt mit Levitatoren zu fliegen. Valdorian bemerkte nur vereinzelt Levitatorwagen, und sie erschienen ihm sehr klobig.
Welche Zeit ist dies?, dachte er, während er sich einem Menschenstrom anschloss, der ihn in die richtige Richtung brachte. Abgesehen von der allgemeinen regen Betriebsamkeit, die überall herrschte und vor allem alltägliche Dinge zu betreffen schien, gab es noch eine andere Art von Unruhe. Valdorian sah sich aufmerksam um und gewann den Eindruck, dass all diese Leute darauf warteten, aufbrechen zu können. Ganze Familien saßen auf Koffern, während andere ihre Sachen zusammenpackten. Helfer waren unterwegs, die meisten von ihnen in grünen und blauen Uniformen, verteilten Lebensmittel und Wasser, beantworteten Fragen, erklärten, gestikulierten. Ihre Hautfarbe war fast immer heller als die der anderen Menschen im schwimmenden Lager. Flüchtlinge?, dachte Valdorian. Aber wovor fliehen sie?
In der Nähe des anderen großen Zelts, in dem er die Registratur vermutete, verließ er den Strom der Menschen und trat in den Schatten unter der großen Plane. Er hielt nach Diamant Ausschau, und der Umstand, dass hier fast alle Frauen schwarze Haare hatten, erleichterte die Suche nicht. Warteschlangen standen vor Dutzenden von Pulten, an denen Leute in Grün und Blau die Kontrollen einfacher Datenservi bedienten. Offenbar wurden hier persönliche Daten erfasst. Er griff in die Taschen seiner Hose und stellte fest, dass sie leer waren – ohne einen Identer würde es ihm schwer fallen, auf eventuelle Konten des Konsortiums zuzugreifen. Auf der Erde?, dachte er. Die gehört zur Allianz. Falls es in dieser Zeit, in der ich mich befinde, überhaupt ein Konsortium und eine Allianz gibt.
In einer der vielen Jackentaschen fand er einen Zettel, holte ihn hervor und starrte auf Schriftzeichen, die für ihnen keinen Sinn ergaben. Vielleicht eine Art von Identifizierungsschein, den er im Lazarett erhalten hatte, hoffte er.
Einer der Helfer kam an ihm vorbei, und Valdorian nutzte die Gelegenheit, hielt ihn am Arm fest. »Bitte entschuldigen Sie.«
Der recht junge Mann richtete einen verärgerten Blick auf ihn. »Stellen Sie sich an wie die anderen. Wir haben Zeit genug, Zeit genug.«
»Ich habe nur eine Frage«, sagte Valdorian hastig und zeigte den Zettel. »Ich war ohne Bewusstsein, als ich hierher kam. Man fand mich an Bord des letzten Schiffes. Ich bin in der Begleitung einer Frau unterwegs gewesen …«
»Versuchen Sie es bei einem der Wer-ist-wo-Scouts«, erwiderte der junge Mann, warf einen neugierigen Blick auf den Linguator, löste seinen Arm aus dem Griff und ging weiter. Draußen verschwand er sofort in der Menge.
Valdorian fühlte sich trotz der vielen Menschen sehr allein. Er steckte den Zettel ein, kehrte nach draußen zurück, in den grellen, heißen Sonnenschein, und fragte sich, was er unternehmen sollte. Er war mittellos, ein anonymer Fremder in einem Durcheinander, das überhaupt keinen Sinn zu ergeben schien, noch dazu auf der Zentralwelt der Allianz. Oder auf dem Planeten, der einmal zu ihrer Zentralwelt werden sollte – die primitive Technik deutete auf einen ziemlich tiefen
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