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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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    Das Heulen der Sirenen kam näher.
    Valdorian begriff, dass er nicht in dem Wrack des Levitatorwagens bleiben durfte. Die Leute von der Verkehrsüberwachung würden versuchen, seine Identität festzustellen, und daraus konnten sich nur Komplikationen ergeben; er musste unbedingt seine Handlungsfreiheit bewahren.
    Auf halbem Wege aus den Trümmern – wie durch ein Wunder war er unverletzt geblieben – fielen ihm Identer und Kodestift ein. Rasch kehrte er zu Diamant zurück und nahm ihr beides ab. Sie war schwer verletzt, und er hoffte inständig, dass man sie rechtzeitig in ein Krankenhaus brachte. Er selbst konnte ihr nicht helfen, so sehr er das auch bedauerte.
    Als er das Fahrzeugwrack mit der sterbenden Diamant verließ, hob die dunkle Kreatur tief in seinem Inneren ihren hässlichen Kopf und knurrte zufrieden.
     

35
Funkelnde Antwort
     
Blau: Tintiran, 7. Juli 301 SN
     
    Ein privater Transporter brachte Valdorian in das Viertel der Stadt, in dem sich seine Mutter unter falschem Namen eine Wohnung gemietet hatte. Der Fahrer – ein ehemaliger Subalterner, der sich zu einem Autarken emporgearbeitet hatte – hatte einen argwöhnischen Blick auf ihn gerichtet und gefragt, ob er Hilfe brauchte. Valdorians Kleidung war zerrissen, das Haar angesengt, und sein Gesicht schien eine einzige große Schramme zu sein. Doch ein mit dem Identer vorgenommener Transfer von tausend Transtel beantwortete alle seine Fragen.
    Im Apartment ließ sich Valdorian von den medizinischen Servi behandeln und begann anschließend mit einer unruhigen Wanderung, die Stunden dauerte. Mithilfe des Kodestiftes aktivierte er bestimmte Magnatendienste, woraufhin ihm der Kom-Servo Nachrichten zeigte, die normalerweise nicht in den öffentlichen Netzen erschienen. Mehrmals rief er mithilfe verschlüsselter Anfragen Patienten-Informationen ab und versuchte, dabei den Anschein zu vermeiden, dass es ihm um Diamant ging. Er zog Erkundigungen über den Zustand Dutzender von Personen ein, die bei Unfällen verletzt worden waren, obwohl es ihm in Wirklichkeit nur um eine bestimmte Frau ging. Diamant lebte, aber ihr Zustand blieb kritisch.
    Während draußen die Stadt am Scharlachroten Meer zu schlafen begann, blieb Valdorian auf den Beinen. Er kam einfach nicht zur Ruhe. Immer wieder ging er an den Bildern vorbei, die seine Mutter in den Stunden ihrer Einsamkeit gemalt hatte, und fühlte in ihnen eine Verzweiflung, die auch in ihm selbst zu wachsen begann. Mehrmals blieb er vor dem Bild stehen, das ihn an den »Schrei« von Munch erinnerte, und diesmal schien dieser Schrei von Diamant zu stammen.
    Er aß eine Kleinigkeit, ohne sich dessen bewusst zu sein, und einmal erwachte er auf dem Sofa im Salon, ohne Erinnerung daran, sich hingelegt zu haben. Draußen kündigte erstes mattes Glühen am Horizont einen neuen Tag an. Der Kom-Servo brachte noch immer Meldungen, und Valdorian nahm am Display Platz, das ihm mitteilte: Der Zustand von Diamant hatte sich stabilisiert, aber die Ärzte befürchteten irreparable Hirnschäden. Er fragte sich, was schlimmer war: Diamants Tod, oder eine dahinvegetierende Diamant, die nicht mehr wusste, wer sie war.
    Schließlich deaktivierte er den Kom-Servo, wechselte die Kleidung, nahm Identer und Kodestift und verließ die Wohnung seiner Mutter. Mit plötzlicher Gewissheit wusste er: Dies war der entscheidende Tag. Er nahm einen öffentlichen Transporter, der ihn in die Innenstadt brachte, setzte dort die unruhige Wanderung fort und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, sie von allem emotionalen Ballast zu befreien. Das war sehr schwer. Immer wieder dachte er an Diamant, und in einem rund um die Uhr geöffneten Medienzentrum machte er erneut vom Kodestift Gebrauch, um Informationen über sie abzurufen – als hoffte er, dass sie sich innerhalb von Minuten oder Stunden von ihren schweren Verletzungen erholen konnte.
    Als die Stadt um ihn herum aus ihrem kurzen Schlaf zu erwachen begann, als er wieder Teil einer anonymen Masse wurde, fiel es ihm etwas leichter, seine Gedanken zu kanalisieren.
    Der Angriff auf das Kastell war aus irgendeinem Grund nicht nur für das Zentrum des Widerstands zur Katastrophe geworden, sondern auch für die Temporalen selbst – ihre Schiffe hatten plötzlich den Angriff eingestellt und nicht mehr reagiert. Anschließend war der von den Temporalen geschaffene Ozean der Zeit verschwunden. Und nun die beiden Temporalen, die den Levitatorwagen abgeschossen hatten, aber nicht dazu gekommen waren,

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