Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
beiseite glitt, und dahinter erstreckte sich ein eher wie ein Salon eingerichtetes, halbdunkles Behandlungszimmer: Sessel mit einem molekularen Strukturgedächtnis, das sie in die Lage versetzte, allen physiologischen Erfordernissen zu genügen; kleine künstliche Sonnen, in deren fokussiertem Licht echte Flora von mehreren verschiedenen Welten wuchs, in einem Fall bis zur Decke empor; Datenservi, deren leises Summen auf die Bereitschaft hindeutete, zu unterhalten oder Informationen anzubieten; in der einen Wand ein pseudoreales Fenster mit der Darstellung eines von tiefen Schluchten durchzogenen Planeten.
Und ein Liegesessel, darin eine reglose Gestalt.
Diamant trat näher, blieb neben dem Liegesessel stehen und sah auf sich selbst hinab.
»Sie stammt aus einer gelben Zeitlinie und ist nie Kantaki-Pilotin gewesen«, sagte der rationale Hominx, während der emotionale einen mitfühlenden Blick auf die Ruhende richtete.
Die ruhende Diamant schien etwa sechzig Jahre alt zu sein und sah somit älter aus als jene, die vor dem Sessel stand. Dünne Falten zeigten sich in Augen- und Mundwinkeln, und das lockige dunkle Haar hatte etwas vom Glanz der Jugend verloren.
»Weiß sie Bescheid?«
»Meine Mitarbeiter und ich haben ihr die Situation zu erklären versucht. Sie war sehr nervös. Ich habe es für besser gehalten, ihr ein starkes Sedativ zu geben. So ist es leichter, für Sie beide.«
»Es mag leichter sein, aber es ist nicht richtig. Sie sollte dabei wach sein.«
Hominx schwebte näher. »Du solltest es für dich nicht schwerer machen als unbedingt nötig. In deinem derzeitigen Zustand …«
»Es geht hier nicht nur um mich. Es geht auch um sie. Bitte weck sie.«
Ein leises Schnaufen kam vom Carythai. »Wenn du darauf bestehst …« Hominx streckte einen Arm aus und berührte die Betäubte mit einem kleinen medizinischen Servo. Es zischte leise.
»Sie wird gleich zu sich kommen«, sagte Hominx und ließ sich vom Levitatorgürtel zur Tür tragen. »Ich bleibe wie üblich in Bereitschaft. Wenn du mich brauchst …«
Diamant nickte nur, den Blick weiter auf die Gestalt im Sessel gerichtet. Mit einem kaum hörbaren Klicken schloss sich die Tür hinter dem Cheftherapeuten.
Stille dehnte sich im Zimmer aus, kroch in alle Ecken und Winkel, wartete mit unerschöpflicher Geduld darauf, dass etwas geschah. Diamant wartete ebenfalls, und als sich die Frau im Sessel zu regen begann, wich sie einen Schritt zurück.
»Hörst du mich, Lidia?« Ihr anderes Selbst hatte nie den Namen Diamant angenommen.
Die sechzig Jahre alte Lidia DiKastro schlug die Augen auf.
»Wie ich hörte, bis du sehr aufgeregt gewesen«, sagte Diamant und sprach sehr sanft. Ein seltsames Déjà-vu-Gefühl stellte sich ein und gaukelte ihr vor, dies alles schon einmal erlebt zu haben, obwohl jede Begegnung einzigartig war. »Deshalb hat man dir ein Sedativ gegeben. Verstehst du mich?«
Lidia nickte langsam. »Du bist … ich. Und du bist jung.«
»So hat es den Anschein. In Wirklichkeit bin ich viel älter als du. Als Kantaki-Pilotin befinde ich mich oft außerhalb des Zeitstroms und genieße relative Unsterblichkeit. Weißt du, wer die Kantaki sind?«
Wieder nickte Lidia. »Es gibt sie auch in meiner Welt.«
»Hominx hat dir alles erklärt, nicht wahr?«
»Ich … erinnere mich an seine Worte. Aber …«
»Es ist alles ziemlich viel«, sagte Diamant mitfühlend.
»Ich war in Bellavista auf Tintiran.« Lidias Blick reichte in die Vergangenheit, in ihre Vergangenheit. »Wir wollten dort ein Xurr-Museum einrichten, Robert und ich. Aber dann kam mir etwas seltsam vor, die Luft flimmerte und … riss auf …«
Diamant hörte ruhig zu, obwohl sie solche Berichte schon oft gehört hatte. Sie lauschte nicht so sehr den Worten, sondern dem Tonfall, dem Klang der Stimme, hörte die Gefühle darin, die emotionalen Schatten von Erinnerungen. Diese Frau war nie Kantaki-Pilotin gewesen, doch die Eliminatoren der Temporalen hatten es trotzdem auf sie abgesehen gehabt. Warum? Vielleicht verfügte sie, ohne es zu wissen, ebenfalls über die Pilotengabe, die ihr auch die Fähigkeit einer Kognitorin gab. »Weißt du, was wir jetzt tun müssen?«
Lidia begann zu zittern. »Hominx hat davon gesprochen. Aber … warum kann ich nicht ich selbst bleiben?«
»Weil es dann zwei von uns gäbe. Wir stammen nicht aus Paralleluniversen, sondern aus verschiedenen, manipulierten Zeitlinien des gleichen Kosmos. Mehrfache Existenzen der gleichen Person aus dem gleichen
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