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Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Titel: Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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neu und eine alt. Und sie hat mich gewarnt. Öffne auf keinen Fall die alte Tür, hat sie gesagt.«
    Tako betrachtete das verwitterte Holz der zweiten Tür, die vielen Risse in ihrer Oberfläche, die fast ebenso komplexe Muster bildeten wie die Linien in den grauen Mauern.
    »Hat dir Norene auch gesagt, was sich dahinter befindet?«
    »Nein. Aber sie meinte es sehr ernst, das habe ich deutlich gespürt. Was auch immer sich hinter der zweiten Tür befindet: Es muss sehr gefährlich sein.« Dominik lief zur ersten, neuen Tür und öffnete sie. Dahinter erstreckte sich ein heller, einladend wirkender Raum, und als Tako ihn betrat, erwartete ihn eine Überraschung: Er sah eine zum Meer hin gelegene Terrasse dort, wo er zuvor, von draußen, nur eine fensterlose Wand gesehen hatte. Auf der anderen Seite führten zwei Türen weiter ins innere des Gebäudes, obwohl sich die anderen Zimmer hinter der zweiten, alten Tür befinden mussten. Ähnlichkeit mit den Räumen, in denen er damals mit seiner Familie gewohnt hatte, entdeckte er nicht.
    Später saßen sie auf der Terrasse, beobachteten den Sonnenuntergang und tranken eisgekühlten Aromasaft, den Dominik aus der Küche geholt hatte. Tako hörte das vertraute Zirpen der nachtaktiven Insektoiden von Meraklon und das Rauschen der nahen Wellen. Er erinnerte sich: Dem fünfjährigen Manuel hatte er erzählt, das Rauschen wäre die Stimme des Meeres, mit der es von all den Dingen erzählte, die es in Jahrmillionen gesehen hatte.
    Natürlich wusste er, dass all das, was er sah, hörte und fühlte, nicht in der Wirklichkeit wurzelte, sondern in Dominiks besonderen Fähigkeiten. Er wusste auch, dass Millennia in großer Gefahr war, dass sich vielleicht genau in diesem Moment Kronn-Flotten im Anflug befanden. Aber trotzdem fühlte er sich einem Frieden nahe, den er sich immer gewünscht, aber nur in einigen seltenen Momenten erreicht hatte. Dominik und er sprachen meistens über belanglose Dinge. Nur einige wenige Male versuchte Tako, etwas mehr über die Vergangenheit des Jungen zu erfahren, gab es aber auf, als er sah, dass es Dominik sichtliches Unbehagen bereitete, über diese Dinge zu sprechen. Wie auch Tako schien es ihm zu gefallen, einfach nur dazusitzen und zu sehen, wie sich das Türkis des Meeres im Licht von zwei Monden in Silber verwandelte.
    Etwas später badeten sie im Meer, als leuchtendes Plankton aufstieg, und dabei hatte es den Anschein, als schwebten sie auf glühenden Wolken. Wieder im Haus bereiteten sie gemeinsam eine leichte Mahlzeit zu, und beim Essen spürte Tako, wie sich eine angenehme Müdigkeit auf ihn herabsenkte. Er fragte sich, ob er in dieser »gebauten« Welt schlafen, richtig schlafen konnte. Die Antwort bekam er nach einer halben Stunde, als er in einem der beiden Schlafzimmer im Bett lag: Wenn es kein echter Schlaf war, so fühlte sich die simulierte Version sehr real an.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit schlief Tako tief und traumlos, ohne Bilder vom Krieg, doch mitten in der Nacht erwachte er plötzlich, ohne zu wissen, was ihn geweckt hatte. Völlig reglos blieb er liegen und stellte zunächst einmal fest, dass er sich noch immer in dem Ferienhaus auf Lowanda befand – durchs halb geöffnete Fenster hörte er die an den Strand rollenden Wellen.
    Nach einer Minute stand er auf, ging in den Flur und sah ins andere Schlafzimmer. Dominik lag dort im Bett, direkt neben dem Fenster, dessen bunte Gardinen sich im sanften Wind bewegten. Sonst rührte sich nichts. Reglos lag der Junge unter dem dünnen Laken, schlief so tief und traumlos wie zuvor Tako.
    Wenn er schlief … Wieso existierte diese Umgebung dann noch? Warum fand sich Tako nicht in der Autarken Behandlungseinheit wieder, von kühler Gelmasse umhüllt?
    Er schob diese Frage beiseite, da er keine Möglichkeit hatte, sie zu beantworten. Leise Schritte brachten ihn in den Salon und von dort aus auf die große Terrasse. Die beiden Monde waren untergegangen, und das Meer zeigte sich nicht mehr als ein rollender Teppich aus Silber, sondern als dunkle Masse, auf der hier und dort das Weiß von Schaumkronen tanzte. Sterne funkelten am Himmel, ebenfalls von Dominiks Imagination geschaffen.
    Aber nicht das Haus. Das Haus entsprang nicht der Vorstellungskraft des Jungen.
    Tako trat die Terrassentreppe hinunter, ging um das Gebäude herum und näherte sich den beiden Türen, der alten und der neuen. Wenn er sich nicht konzentrierte, wenn er nicht lauschte … Dann glaubte er, eine leise Stimme zu

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