Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)
»Seltsam, nicht? Wie soll ich etwas meiden, das ich nicht kenne?« Der Junge zuckte mit den Schultern. »Sie weiß nicht, dass ich dies für dich gebaut habe. Hier hast du keine Schmerzen, oder?«
»Schmerzen? Nein.« Tako erinnerte sich an ein Brennen hart an der Erträglichkeitsgrenze, und er wusste auch, woher es stammte. Es ging auf das beschleunigte Wachstum bionischer Nervenzellen zurück, die organische Prothesen mit dem verbanden, was nach der begonnenen Desintegration von seinem Körper übrig geblieben war. »Wie viel Zeit ist vergangen?«, fragte er und fühlte, wie seine Besorgnis immer mehr zunahm.
»Zwei Tage«, erwiderte Dominik und fügte traurig hinzu: »Jetzt kommen die Graken auch nach Millennia, nicht wahr?«
»Ich erinnere mich, dass Katyma einen Feuervogel in der Korona von Gondahar erwähnt hat.« Tako schaute erneut nach oben und blinzelte im hellen Sonnenschein. Die Dunkelheit, die aus dem Licht kam … »Hat die Evakuierung bereits begonnen? Ist das Oberkommando benachrichtigt? Sind Schiffe unterwegs? Ich muss mit Dargo reden! Kannst du mich zur Akonda bringen?«
Dominik sah zu ihm auf, und in den braunen Augen des Jungen zeigte sich etwas, das nicht zu einem Kind passte, eine Reife, die weit über die engen Grenzen eines achtjährigen Lebens hinausging. »Vielleicht wäre es besser gewesen, etwas anderes für dich zu bauen. Dies belastet dich zu sehr. Ich versuche …« Er unterbrach sich und blickte in die Ferne. »Nein, jetzt nicht. Norene kommt. Ich muss weg.«
Die Gletscher verschwanden, und brennender Schmerz kehrte zurück. Tako musste ihn ertragen, denn er bedeutete Empfindungsresonanz; ohne ihn funktionierte das beschleunigte Wachstum nicht. Er lag in Gelmasse, erfüllt von Pein, während Zeit verging, während sich in einer Welt Chaos ausbreitete, die seit Jahrtausenden Frieden kannte. Er hörte und sah nichts, blieb allein mit seinen trägen Gedanken, bis …
Tako ging über einen weißen Strand, hörte das Rauschen naher türkisfarbener Wellen und wusste sofort, wo er sich befand: Dies war Lowanda, eine von mehr als hundert Inseln des großen Perlen-Archipels am Äquator von Meraklon. Einige wenige, aber herrliche Tage hatte er dort vor drei Jahren mit seiner Familie verbracht, und anschließend war er zu einem längeren Einsatz in den hunderte von Lichtjahren entfernten Pegasus-Sektoren aufgebrochen.
»Dies ist besser«, sagte der neben ihm gehende Dominik und lächelte. Diesmal trugen sie beide angemessen leichte Kleidung. Wieder wirkte alles sehr echt, und Tako glaubte, jedes einzelne Sandkorn zwischen den Zehen zu fühlen. Rechts erstreckte sich der Ozean unter einem Himmel mit nur einigen wenigen Wolkenfetzen, und links ragte die grüne Mauer üppiger tropischer Vegetation auf.
»Ich habe es mithilfe deiner Erinnerungen gebaut«, sagte Dominik. »Es sind gute Erinnerungen, ja?«
Tako nickte. »Ja. Zum letzten Mal bin ich vor drei Jahren hier gewesen, zusammen mit …«
»Ich weiß. Mit deiner Familie. Ich habe es in deinen Erinnerungen gesehen. Du hast sie verloren, so wie ich alle anderen verloren habe. Wir sind beide Waisen.«
»Das stimmt, wir sind beide … verwaist.« Tako atmete die nach Meer riechende Luft tief ein, schloss die Augen und glaubte fast, Dalannas und Manuels lachende Stimmen zu hören. Rasch hob er die Lider wieder, aus Furcht vor bestimmten Bildern aus der Vergangenheit.
»Ich erinnere dich an ihn, nicht wahr?«, fragte Dominik. »An deinen Sohn Manuel.«
Tako sah auf ihn hinab. »Er wäre jetzt in deinem Alter.«
Dominik bückte sich, hob eine Muschelschale auf, betrachtete sie kurz und warf sie ins Wasser. »Und du … Vielleicht wäre mein Vater wie du. Vielleicht sähe er dir ähnlich.« Er zögerte kurz. »Hoffentlich wirst du bald gesund. Ich möchte nicht ohne dich fort.«
»Fort?«, wiederholte Tako.
»Die ersten Tal-Telassi verlassen Millennia«, sagte Dominik. »In der Sonnenkorona sind zwei weitere Feuervögel erschienen, und ich habe gehört, dass bald mit dem Eintreffen des ersten Graken und einer großen Kronn-Flotte gerechnet wird. Norene will sich zusammen mit mir einer Evakuierungsgruppe anschließen.« Trauer erschien im Gesicht des Jungen. »Sie möchte nicht, dass ich zu dir komme. Sie meint, du bindest mich an die andere Welt, die ich hinter mir zurücklassen muss.«
»Wieso kann sie noch immer über dich bestimmen?«, fragte Tako erstaunt. »Sie hat meine Erinnerungen manipuliert und hätte mich fast umgebracht!
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