Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
Schiffe und planetaren Shuttles von diesem Flugkorridor fernhielten. Fast zwanzig Kilometer weiter unten tauchten kleinere Städte auf und verschwanden wieder, als der Scout der Wölbung des Planeten folgte.
Zara hatte die aus dem Eispanzer ragenden weißen Türme der Hauptstadt Empirion fast erreicht, als sie plötzlich begriff, dass sie wertvolle Zeit verlor. Sie stand auf, und für einen Sekundenbruchteil regte sich in ihrer kalten Emotionslosigkeit ein Hauch von Ärger auf die eigene Dummheit. Die Neutralisatoren, Verbotszonen und Illegalitätssensoren existierten seit einigen Wochen nicht mehr. Die Macht der Gewohnheit hatte ihr Denken blockiert: Eine Landung war nicht nötig – nichts hinderte sie daran, Fomion zu benutzen.
»Ich verlasse das Schiff«, sagte sie. »Lass dir einen Landeplatz in Empirion zuweisen und warte dort auf weitere Anweisungen.«
»Bestätigung«, antwortete die KI des Scouts. Sie war intelligent genug, um zu verstehen, auf welche Weise die Tal-Telassi das Schiff verlassen wollte.
Sie schickte einen Gedanken vor – Ich bin gleich bei Ihnen, Katyma –, öffnete ihr Selbst der sechsten Stufe, verband sich mit dem Ort, den sie erreichen wollte … und befand sich dort.
Zara kannte das Gebäude: von den Streitkräften der AFW – den Besatzern – aus Synthomasse und Stahlkeramik errichtet und mit allem ausgestattet, was eine militärische Kommandozentrale brauchte. Von hier aus hatten die ersten Militärgouverneure Millennias Geschicke bestimmt, bis schließlich die Büros in einem der Empirion-Türme eingerichtet worden waren, von denen aus auch Joras Ebanar regiert hatte. Durch die breiten Fenster sah man das Licht der künstlichen Sonnen unter den Eisschilden und jenen Teil der Stadt, der bis zur Besatzung allein den Tal-Telassi vorbehalten gewesen war. Jetzt patrouillierten dort keine Soldaten mehr.
Mehrere Gardisten und Tal-Telassi grüßten respektvoll, als Zara durch den großen Kontrollraum mit seinen zahlreichen Nischen und Konsolengruppen eilte. Katyma saß vorn an der zentralen Station, dort, wo alle Meldungen eintrafen. Eine Halbkugel aus quasi- und pseudorealen Projektionsfeldern umgab sie, und ihre Hände waren in ständiger Bewegung, huschten über virtuelle Schaltflächen.
»Unsere Streitkräfte melden volle Einsatzbereitschaft«, sagte Katyma.
»Sie wissen, wie wenig das bedeutet.« Zara blieb neben dem Sessel stehen, und ihr Blick strich über die vielen Informationsfenster. »Gegen einen massiven Angriff der Graken können wir Millennia allein mit militärischen Mitteln nicht verteidigen.«
Katyma sah zu ihr auf. »Wie wollen Sie vorgehen?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, die Graken abzuwehren. Wir müssen einen geistigen Schutzschild schaffen, undurchdringlich nicht nur für ihre Träume, sondern auch für ihre Moloche und die Schiffe der Vitäen. Wie viele Tal-Telassi befinden sich auf Millennia?«
Katyma überlegte kurz. »Nicht mehr als etwa fünfzehntausend. Weitere sind von den Welten des Kernbereichs hierher unterwegs, treffen aber wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig ein. Ich bezweifle, dass sie für den von Ihnen vorgeschlagenen Schild ausreichen, Großmeisterin.« Sie stand auf und deutete auf Zaras an mehreren Stellen aufgerissenen und atrophierten Bionenanzug. »Offenbar haben Sie einiges hinter sich. Wir beschaffen Ihnen Ersatz.«
Zaras Gedanken rasten, aber in geordneten Bahnen. »Rufen Sie die begabtesten Meisterinnen zusammen. Wir brauchen … mindestens fünfzig. Hundert wären noch besser. Sie sollen sich im Zömeterium mit dem Ursprung des Tal-Telas einfinden.«
»Was haben Sie vor, Zara?«
Katyma verzichtete diesmal darauf, sie »Großmeisterin« zu nennen, und das entging Zara nicht. Es brachte keine Nähe zum Ausdruck, sondern genau das Gegenteil: kühle Distanz und Wachsamkeit. Ahnte sie etwas?
Es spielte keine Rolle. Nur dieser Weg konnte beschritten werden; es gab keinen anderen.
»Wir öffnen das Tal-Telas.«
Interludium 29
13. Mai 1147 ÄdeF
»Wir haben ihn gefunden!«
Kaither blinzelte und musste die Worte in Gedanken wiederholen, bevor er sie verstand. »Du meinst Rupert?«
Hendrik wirkte nicht ganz so alt wie sonst und stand mit ihm zusammen am Rand der wachsenden Stadt. Kaither beobachtete, wie sich ein scharlachroter Turm aus einem seltsam schiefen, goldgelben Gebäude schob.
»Ja, du hast ihn uns gezeigt«, sagte der Kognitor. Den Gehstock hielt er diesmal locker in einer Hand. »Wir sind zu ihm
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