Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
war. Sie entsann sich an die Worte, die sie damals an Dominik – Ahelias vierundzwanzigste Inkarnation – gerichtet hatte: Damit beginnt für uns die wahre Zeit der Schande. Alle werden uns die Schuld geben.
Ganz deutlich sah sie es vor dem inneren Auge: wie Dominik die Hand in den schwarzen Quader streckte, aus dem das Tal-Telas kam; wie er transparent wurde, an den Seiten schrumpfte und in die Höhe wuchs; wie eine Linie entstand, vertikal und etwa zwei Meter lang. Erst schimmerte sie, weiß wie der Schnee von Millennia, und dann kehrte sie zum ursprünglichen Schwarz des Quaders zurück.
Anschließend war etwas Seltsames geschehen, und noch heute fragte sich Zara, ob es sich um eine Halluzination gehandelt hatte, hervorgerufen vielleicht von den Emanationen des weit geöffneten Tal-Telas. Sie rief das Erinnerungsbild aus ihrem Gedächtnis und sah es noch einmal. So dünn wie ein Haar sank die Linie dem Boden entgegen, und als sie ihn berührte, wurde sie zu einem schwarzen Spalt, aus dem eine humanoide Gestalt trat: klein, der Rücken gebeugt, die Augen groß, die Nase lang und spitz. Sie trat in den Raum mit den Särgen und Sarkophagen und fragte: »Wer spielt das Spiel mit mir?«
Was auch immer der kleine, listig blickende Humanoide damit gemeint hatte: Dominik/Ahelia war gesprungen, gegen ihn geprallt und zusammen mit dem Wicht im Riss verschwunden, der sich anschließend wieder in den schwarzen Quader verwandelt hatte.
Zara blinzelte, von der Intensität der eigenen Erinnerungen überrascht. Mit zwei, drei entschlossenen Schritten brachte sie den fensterlosen Sarkophag – Dominiks symbolisches Grab – hinter sich und trat zum schwarzen Quader. Er stand in der Mitte eines großen runden Raums, und an den Wänden mit weiteren Särgen von Kantaki-Piloten warteten insgesamt siebenundachtzig Meisterinnen – Zara hatte ihre Präsenz beim eigenen Sprung in Fomion gespürt. Ihnen war nicht viel Zeit geblieben, um sich auf das vorzubereiten, was hier geschehen sollte.
Plötzlich bedauerte Zara sehr, dass Dominique nicht zugegen war. Jetzt hätte sie ihr Potenzial gut gebrauchen können. Die Tochter von Dominik … Hier hätte sie den Fehler ihres Vaters wiedergutmachen können.
Zara musterte die Frauen. Einige von ihnen wirkten recht jung, aber sie wusste, dass keine dieser Meisterinnen jünger als achthundert Jahre war. Viele von ihnen hatten den Anfang des Grakenkriegs miterlebt, unter ihnen auch …
»Wollen Sie den gleichen Fehler wiederholen, den Ahelia und die beiden anderen Großmeisterinnen damals gemacht haben?«, fragte Teora 14 und trat vor.
Die Worte überraschten Zara nicht, wohl aber Teoras Präsenz. Katyma hatte das Oberhaupt der Insurgenten bestimmt nicht ohne Grund hierherkommen lassen. Es bedeutete vermutlich, dass ihre Bedenken größer waren, als sie es Zara gegenüber zu erkennen gegeben hatte.
Teora schien etwa hundert Standardjahre alt zu sein, und ihr bläulich glänzendes Haar war zu einem langen Zopf geflochten, den sie wie einen Schal um den Hals trug. Sie ging zum schwarzen Quader und blieb dort so stehen, als wollte sie ihn schützen.
»Ich beabsichtige, Millennia zu retten«, sagte Zara.
»Gute Absichten haben uns schon einmal eine Katastrophe beschert.«
»Teora …«, sagte Zara mit erzwungener Geduld. »Innovatoren, Insurgenten, Orthodoxe … All das spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir stehen dicht vor dem Untergang der Zivilisationen in diesem Teil der Galaxis und müssen über uns selbst hinauswachsen, um möglichst viel für den Neuanfang zu retten. Die Tal-Telassi müssen zusammenstehen, um eine Zukunft zu haben.«
»Vielleicht nehmen Sie uns die Zukunft, wenn Sie das Tal-Telas öffnen.«
Zaras Blick strich kurz über die anderen Meisterinnen. Ihre Gedanken blieben verborgen, und die Gesichter verrieten nichts. Sie warteten ab, ohne Stellung zu beziehen.
»Es gibt keine andere Möglichkeit, die Graken abzuwehren«, sagte sie.
»Noch sind gar keine Graken ins Gondahar-System gekommen«, erwiderte Teora. »Vielleicht ist es nur eine Aktion der Vitäen. Unsere Garde hat sie bisher darin gehindert, die Planeten zu erreichen.«
Zara war mit ihrer Geduld fast am Ende. Sie hatte genug Zeit verloren. »Sind Sie blind, Teora? Sehen Sie nicht die Muster in Gelmr?«
Die anderen Meisterinnen flüsterten miteinander; sie hatten die Muster gesehen.
»Sie können vieles bedeuten, Großmeisterin. Ihre Interpretation muss nicht die richtige sein.«
»Nicht ich schicke mich
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