Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
haben mehr getan als sonst jemand.«
»Vielleicht nicht genug.«
Sie verließen den Hauptkorridor und schritten durch einen schmalen Gang, der weiter in den langen Zylinder der Longard führte. Kurz darauf erreichten sie ein Konferenzzimmer.
»Es ist alles für Sie vorbereitet«, sagte Hokonna und reichte dem Impro einen kleinen Datenschlüssel.
»Danke.« Zacharias sah Hokonna hinterher, als er mit summenden und surrenden Servi fortstapfte, betrat dann das Zimmer und nahm vor einer halbrunden Konsole Platz, die ihn an ein Rednerpodium erinnerte. Auf der anderen Seite leuchteten die Bereitschaftsanzeigen mehrerer quasirealer Projektoren. Es genügte, bestimmte Kontrollfelder der Konsole zu berühren oder eine verbale Anweisung zu erteilen, um die bereits existierenden verschlüsselten Transverbindungen aus dem passiven in den aktiven Modus zu holen. Doch Zacharias zögerte, legte den Datenschlüssel in einen ID-Scanner und rief Situationsinformationen in Hinsicht auf Lanza Hokonnas Einsatzgruppe ab.
Sie bestand aus der Longard , drei leichten Schlachtschiffen, zwei schnellen Kurieren der Hermes-Klasse und einem Fernaufklärer. Seit vier Jahren war diese kleine Flotte im Draghi-System stationiert, mit dem offiziellen Auftrag, nach den Graken und ihren Vitäen Ausschau zu halten und alle Bewegungen des Feindes zu melden. Seit vier Jahren war die Flottille in kein einziges Gefecht verwickelt worden, und genau darin bestand der Sinn ihrer Stationierung: Lanze Adrian Hokonna und andere alte Offiziere, die sich große Verdienste erworben hatten und oft verletzt worden waren, sollten überleben. Doch jetzt wollte es der Zufall, dass in einer nicht sehr weit entfernten Dunkelwolke ein Zentrum der Graken – vielleicht das Zentrum – entdeckt worden war. Wenn sich nach der Auswertung aller Daten der Verdacht erhärtete, dass es sich um Golgatha handelte, und wenn außerdem die Möglichkeit bestand, dass die Graken in Kürze mit einer Offensive gegen das Dutzend beginnen wollten … Dann würde das Konzil der Überlebenden eine große Kampfflotte in den Ophiuchus-Sektor schicken. Zacharias bezweifelte, ob sich Adrian Hokonna unter solchen Umständen mit der Rolle eines tatenlosen Beobachters zufrieden gab.
Was trieb ihn an? Warum der Wunsch, in den Kampf zurückzukehren? Fühlte sich Hokonna schuldig, weil er der letzte Überlebende der Legion Cerbus war? Glaubte er irgendwo tief in seinem Innern, dass er nur dann Erfüllung finden konnte, wenn er im Kampf gegen die Graken starb?
Hielt er das für seine Pflicht ? Es war falscher Mut, fand Zacharias. Selbstaufopferung dieser Art nützte niemandem. Das Überleben, auch individuelles Überleben, war wichtiger als jemals zuvor. Wir sind nur noch wenige , dachte er. Wir können es uns nicht leisten, dass einige von uns versuchen, ihr Leben wegzuwerfen. Ganz gewiss konnte sich das Dutzend keine Offiziere leisten, die aus irgendeinem Grund den Tod suchten und dabei ihre Untergebenen mit ins Verderben rissen. Das war der zweite, noch wichtigere Grund für Hokonnas Stationierung im Draghi-System. Und dafür, warum sich an Bord seiner Schiffe noch weniger Soldaten befanden als sonst in den Streitkräften üblich. Lanze Adrian Hokonna sollte am Leben bleiben, denn das hatte er sich in mehr als hundert Jahren verdient. Und er sollte daran gehindert werden, das Leben von Soldaten zu gefährden. Letztendlich lief es darauf hinaus, Hokonna vor sich selbst zu schützen.
Aber manchmal – eigentlich sogar ziemlich oft – entwickelten sich die Dinge nicht wie geplant.
Zacharias seufzte tief, ließ die Situationsberichte aus dem zweidimensionalen Informationsfenster verschwinden und wandte sich wieder den Kontrollen der Konsole zu. Es wurde Zeit, mit den Avatars des Konzils zu reden und ihre Fragen zu beantworten.
27. Februar 1229 ÄdeF
Die Sonne ging unter, und in ihrem roten Schein gewann der langsam fließende Toran die Farbe von Blut. Impro Afraim Zacharias stand auf dem Dach eines Gebäudes, das zusammen mit vielen anderen zum Regierungszentrum des Dutzends gehörte, und blickte zum breiten Fluss, der Hiratara, Kalahos Hauptstadt, in zwei etwa gleich große Hälften teilte. Nur für einige Minuten am Abend gewann der Strom diese blutrote Farbe und erinnerte daran, dass vor etwa achtzig Jahren wirklich Blut in ihm geflossen war. Der Graken, der sich damals auf Kalaho niedergelassen hatte, war besiegt worden, aber es gab noch immer offene Wunden, besonders in den
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