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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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davon nichts – sie fühlte weder Kälte noch Wärme.
    Der Kontakt mit Myra präsentierte ihr eine weitere Erkenntnis: Die Erinnerungsbilder der Greisin zeigten ihr das Zentrum eines Grakentraums. Aber was bedeutete ein Kantaki-Schiffe im Traum eines Graken, und warum wollte Myra es unbedingt erreichen?
    Einige Bewohner der Terrassenstadt näherten sich Tako Karides und der Frau. Myras Lippen bewegten sich, aber Dominique hörte noch immer nichts – in dieser Welt der Erinnerungen herrschte die gleiche Stille wie in der Schwärze des Transfers.
    Die sterbende Frau lag neben einem Gebilde, das wie eine Mischung aus Baum und Skulptur aussah, und als Dominique näher trat, beobachtete sie, wie Karides die Hände zu den Ohren hob und eine Grimasse schnitt – offenbar hörte er sehr unangenehme Geräusche. Dann bemerkte er einen Jungen, der hinter dem Baum beziehungsweise der Skulptur hervortrat, und plötzlich war die Stadt leer. Niemand hielt sich mehr in ihr auf, nur noch die alte Myra 27, Tako Karides und der Knabe. Und Dominique, die abseits der Ereignisse blieb.
    »Ich kann sie verschwinden lassen, wenn ich will«, sagte der Junge zu Tako. »Die anderen. Ich kann sie verschwinden lassen, wenn ich will. Dann stören sie nicht mehr. Manchmal kitzeln ihre Stimmen in meinem Kopf.« Er streckte die Hand aus. »Ich mag diesen Ort nicht. Nimmst du mich mit?«
    Dominique hörte die Stimme des etwa acht Jahre alten Knaben ganz deutlich, und als Tako Karides seine Hand ergriff, drehte der Junge den Kopf, sah Dominique an und sagte: »Ich bin hier. Ich habe auf dich gewartet.«
    Es war ein Kind, das zu ihr sprach, aber sie vernahm die Stimme ihres Vaters Dominik.
    Dominique fand sich zitternd neben Myra wieder, vor den Stufen des Gebäudes, in einer Welt, die viel zu schnell kälter wurde. Die Dunkelheit am Himmel dehnte sich aus, und weitere Sterne erschienen. Ein Gurren weckte Dominiques Aufmerksamkeit, und als sie zur Seite blickte, sah sie Kiwitt auf der obersten Treppenstufe. Der kleine Kerl gurrte erneut, aufgeregt und drängend, drehte sich dann um und lief ins Gebäude.
    »Bring mich … zum schwarzen Berg …«, ächzte die alte Frau. Dominique berührte sie noch immer, kehrte aber nicht in Myras Erinnerungen zurück. Sie half ihr auf die Beine und stützte sie, wankte mit ihr gemeinsam die Treppe hoch und durch den breiten Zugang ins Gebäude, das Dominique wie eine Art Tempel erschien. Sie erreichten einen Saal, dessen Boden aus glatten, hellbraunen Steinplatten bestand, ausgestattet mit komplexen Mustern, deren Bedeutung Dominique verborgen blieb. Sie achtete auch gar nicht mehr auf die ineinander verschlungenen Linien, als sie den Brunnen in der Mitte des Saals sah.
    Sie führte Myra 27 bis zu den alten Steinen der Brunneneinfassung, auf der Kiwitt saß, ließ sie dort vorsichtig zu Boden sinken. An diesem Ort war es nicht wärmer als draußen, aber wenigstens wehte hier kein Wind.
    »Ich hole jemanden, Ehrenwerte«, sagte Dominique schnell. »Ich bin gleich wieder da, und dann verlassen wir diesen Ort.«
    »Geh nicht weg, ich …«
    Aber Dominique stob bereits davon. Sie erreichte den Ausgang, sprang die Treppe hinunter und kehrte in den Wind zurück, der ihr noch kälter erschien als vorher. Er war auch stärker geworden, pfiff und fauchte durch die Gassen und Straßen der Ruinenstadt.
    »Tarweder!«, rief Dominique. »Wo bist du?« Der Wind stahl ihr die Worte von den Lippen.
    Sie schickte sich an, den kleinen Platz zu verlassen, um im anderen Teil des Ortes nach dem Alten zu suchen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Tarweder kam aus einer Gasse und versuchte zu laufen, aber er schien sehr erschöpft zu sein.
    Dominique winkte. »Hierher, Tarweder! Ich habe einen Brunnen gefunden.« Sie deutete zu dem Gebäude, in dem sie Myra zurückgelassen hatte.
    Wenige Sekunden später wurde klar, warum Tarweder es so eilig hatte. Die Gebäude hinter ihm lösten sich auf und verschwanden im grauen Nichts, das sich nun viel rascher ausbreitete. Es verschlang die Ruinenstadt, und nicht nur hinter Tarweder. Als Dominique zu dem Weisen eilte, sah sie, wie auch rechts und links von ihr alte, verwitterte Mauern an Substanz verloren. Rasch legte sie sich einen Arm Tarweders um die Schultern und zerrte ihn mit sich zur Treppe. Kiwitt sprang hinter dem Alten hervor und sauste die Stufen hoch, wie schon einmal kurz zuvor, und Dominique fragte sich, wie das Tier hinter Tarweder gelangt war, ohne dass sie es gesehen

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