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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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hatte.
    Im Zugang des Gebäudes warf Dominique einen Blick über die Schulter und stellte fest, dass das Nichts die Mitte des Platzes erreicht hatte und sich weiter näherte.
    Myra lag reglos neben dem Brunnen, und Dominique sah ihre Befürchtungen bestätigt, als sie in die Hocke ging und nach dem Puls der alten Tal-Telassi tastete. Myras Herz schlug nicht mehr. Offenbar hatte sie versucht, mit dem Zeigefinger der rechten Hand etwas in den Staub auf den Steinplatten zu schreiben. Dominique beugte sich tiefer und sah … einen Kreis, umgeben von vier anderen Kreisen, untereinander durch Linien verbunden. Etwas abseits davon gab es einen weiteren Kreis, einen fünften, und eine gestrichelte Linie ging davon in Richtung des ersten, großen Kreises aus. Myra hatte sie nicht mehr fertigstellen können – sie war vorher gestorben.
    »Wer ist das?«, fragte Tarweder. »Solche Male sind mir neu.« Er meinte die violetten Verfärbungen an den Fingerkuppen.
    Dann sah er, wie das graue Nichts die Tür erreichte. »Schnell! Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Er wankte am Rand des Brunnens entlang und suchte nach den richtigen Koordinaten-Symbolen. Kiwitt gurrte immer wieder, und es klang drängend.
    Dominique blickte kummervoll auf die alte Großmeisterin der Tal-Telassi herab. Was hatte Myra hierhergebracht, zu diesem leeren Ort? Wovor war sie geflohen? Und was hatte sie ihr mitteilen wollen? Ihre letzte Botschaft bestand aus einem seltsamen Bild, das Dominique nicht verstand.
    »Komm!«, rief Tarweder. »Wenn dich das Grau berührt, verlierst du dich im Nichts zwischen den Dominien.« Er kletterte mühsam auf den Brunnenrand.
    Dominique hörte ein leises Knistern, mit dem sich das Nichts über den Boden fraß. Rasch half sie Tarweder, der seinen Rucksack in der einen Hand hielt, auf den Brunnenrand. Als sie neben ihm stand, blickte sie in die gleiche Schwärze hinab, die sie im ersten Brunnen gesehen hatte, und erneut regte sich Unbehagen in ihr.
    Das hungrige Grau erreichte die tote Myra, und die Gestalt der alten Tal-Telassi löste sich darin auf.
    »Hoffentlich habe ich in der Eile alles richtig gemacht«, schnaufte Tarweder und schloss den Rucksack, nachdem Kiwitt hineingeklettert war. Dann holte er tief Luft und sprang.
    Er verschwand in der dunklen Tiefe.
    Dominique beobachtete, wie das Nichts über die alten Steine mit den Kantaki-Symbolen kroch, die für Tarweder Koordinaten waren. Als es in der Finsternis unter ihr zu flackern begannen – erste Anzeichen von Instabilität des Brunnens? –, sprang sie ebenfalls.
    Wie beim ersten Transfer hatte sie das Gefühl, dass der Sturz nach wenigen Metern zu Ende ging und etwas sie sanft trug. Doch wenige Augenblicke später – und diesmal war Dominique sicher, dass wirklich nur zwei oder drei Sekunden verstrichen waren – griff etwas nach ihr und warf sie durch eine Öffnung, der gar nicht genug Zeit blieb, klebrig zu werden und sie festzuhalten. Sie prallte schwer auf einen kalten Boden und spürte mit seltsamer Deutlichkeit, wie sich ihr die scharfen Kanten kleiner Steine in die Handflächen bohrten.
    »Da bist du endlich«, erklang eine vertraute Stimme, begleitet von einem Gurren.
    Dominique hob den Kopf und sah Tarweder, gekleidet in seinen wärmenden Overall; Kiwitt saß auf seiner Schulter. Er streckte die Hand aus, half ihr auf die Beine und reichte ihr dann eine Art Mantel, der aus Dutzenden von zusammengenähten Stofffetzen bestand. »Dieser Mantel ist das Werk von fünf Tagen Arbeit.«
    Dominique streifte ihn über, dankbar für die Wärme. »Fünf Tage? Aber …«
    »Du hast zu lange gewartet«, sagte Tarweder in einem fast vorwurfsvollen Tonfall. »Bei deinem Transfer kam es zu einer Zeitverschiebung. Ich bin fast eine Woche vor dir hier eingetroffen.«
    Erneut wunderte sich Dominique, wie die Bewohner von Heres Zeitbegriffe terranischen Ursprungs – Tage, Wochen, Monate – auch in der nichtlinearen Zeit benutzen konnten. Dann wandte sie sich dem Schlachtfeld zu; vielleicht war es der Versuch eines Teils von ihr, sich trotz des Schocks an Vernunft und Rationalität festzuklammern. Ganz automatisch setzte sie einen Fuß vor den anderen und näherte sich den ersten Leichen.
    »Es ist kein schöner Anblick«, warnte Tarweder, und Kiwitt fügte den Worten ein Gurren hinzu, das fast wie ein Quieken klang.
    »Was ist hier geschehen?«, fragte Dominique.
    Tarweder folgte ihr. »Ich denke, die Dominanten haben den Eisenmännern eine Lektion erteilt.«
    Dünner

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