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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Deutschland wird größer und ausführlicher berichtet als über einen Flugzeugabsturz in China. Das ist halt weit weg und betrifft uns damit weniger. Der Begriff »Nähe« hat sich aber geändert. Früher hätte man gesagt: »Ob in China gerade ein Sack Reis umgefallen ist, interessiert hier niemanden.« Heute hängt die Welt wirtschaftlich so eng zusammen, dass die Reisernte in China uns durchaus betreffen kann. Wenn die Chinesen bei einer schlechten Ernte mehr Reis im Ausland kaufen müssen und die Preise für Reis daraufhin weltweit steigen, merken wir das bei uns im Supermarktregal schließlich auch. Über solche Zusammenhänge sollen Medien natürlich auch berichten.
Beim Fernsehen kommt hinzu: Von einem Ereignis muss es Bilder geben! Sonst kann man nur sehr schlecht darüber berichten. Umgekehrt führt diese Regel dazu, dass manchmal über Dinge berichtet wird, die eigentlich gar nicht wirklich wichtig sind – aber es gibt so aufregende Bilder. Schwupps, taucht ein entsprechender Clip in den Nachrichten auf. Ist das schlecht? Kommt drauf an. Wenn man es entsprechend einordnet, kann es auch ganz schön sein, einen glücklichen Buckelwal im Fernsehen zu zeigen, der sich verirrt hatte und den Weg zurück ins Meer fand. Der Wal wurde übrigens »Bucki« genannt und bewegte zwar nicht das Weltgeschehen, aber interessant war sein Schicksal trotzdem. Man guckt gerne hin und lernt nebenher auch noch etwas über Wale. Wenn aber im deutschen Fernsehen Bilder gezeigt werden, wie sich in Amerika ein Verbrecher mit der Polizei ein Wettrennen liefert und sein Auto schließlich gegen eine Wand kracht – tja. Das ist dann nur reißerisch-unterhaltsam, hat aber überhaupt keine inhaltliche Bedeutung für uns hier in Deutschland.
    Gummistiefel-Termine und Agenda Surfing: die Macht der Medien
    Die Presse wird oft als die »vierte Macht« im Staat bezeichnet. Die ersten drei Mächte sind die Gesetzgebung (Legislative/Parlament), die ausführenden Kräfte (Exekutive/Regierung) und die Rechtsprechung (Judikative/Gerichte). Eindeutig kommt der Presse eine besondere Kontrollfunktion zu. Journalisten informieren nicht nur, sie kritisieren auch und klären auf. Ein Skandal braucht eine Plattform. Selbst wenn der Journalist ihn nicht persönlich entdeckt hat, sondern die Infos nur zugesteckt bekam. Deshalb gilt in demokratischen Ländern auch die Pressefreiheit: Es darf nichts vor Veröffentlichung zensiert werden. Und Journalisten haben ein »Zeugnisverweigerungsrecht«: Sie müssen ihre Quellen und Informanten nicht preisgeben. Natürlich dürfen sie trotzdem nichts schreiben oder senden, was falsch ist. Das ist allerdings manchmal eher theoretisch. Denn natürlich wird auch Falsches geschrieben und gesendet … Weil die Autoren es nicht besser wussten oder weil sie es nicht besser wissen wollten. Journalisten sind schließlich auch nur Menschen wie alle anderen. Und auf dem Boulevard ist die verkaufsträchtige Story gern auch mal wichtiger als ihr Wahrheitsgehalt. Wenn ein Schaden entsteht, müssen sie dafür natürlich geradestehen und im schlimmsten Fall zahlen! Wie problematisch solche Zahlungen sind, kann für Verlage oder (private) Sender aber ein reines Rechenkalkül sein. Wenn ein tolles Foto die Auflage hochtreibt, obwohl es die Privatsphäre eines Menschen verletzt, dann sind die zusätzlichen Einnahmen durch die vielen verkauften Hefte manchmal höher als der Schadensersatz, der gezahlt werden muss.
    Wie mächtig die Medien tatsächlich sind und wie Politiker sie manipulieren können, darüber streiten die Gelehrten. Beim sogenannten Agenda Setting geht es darum, welche Themen von der Öffentlichkeit als aktuell wichtig wahrgenommen werden. Einig sind sich Wissenschaftler darüber, dass die Medien keinen so großen Einfluss darauf haben, was das Publikum über einzelne Themen denkt, sehr wohl aber darauf, worüber es sich überhaupt Gedanken macht – also was von den Menschen als wichtig empfunden wird. Dabei hat das Fernsehen eher einen kurzfristigen »Scheinwerfer-Effekt«, Printmedien wirken langsamer, aber dauerhafter. Und natürlich beeinflussen sich Zeitungen, Fernsehen, Radio und Online-Medien gegenseitig: Um sich ihre Meinung zu bilden, lesen die Fernsehleute, was die Zeitungsleute schreiben und teils schon vorab online veröffentlichen. Und die Zeitungsleute gucken Fernsehen und sagen sich: Oho, wenn das Fernsehen so groß darüber berichtet, dann ist das ja wohl wirklich sehr wichtig. Neben den sehr schnell

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