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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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-Infoständen in Fußgängerzonen versammelten sich Bürger, die fragten, »wo man hier gegen Ausländer unterschreiben kann«. Da wurde auch CDU -Mitgliedern, die das miterlebten, mulmig. Zumal die rechtsradikale NPD die Unterschriftenaktionen der hessischen CDU lautstark unterstützte. Koch gewann damals die Landtagswahl. Nicht jedes Parteimitglied hat sich damit wohlgefühlt, einige CDU -Politiker haben die Kampagne sogar öffentlich scharf als »unverantwortlich« kritisiert. Auch von der katholischen Kirche gab es Kritik. Der Anti-Doppelpass-Wahlkampf von 1999 wurde von zahlreichen politischen Beobachtern und Analysten als höchst problematisch eingeordnet.
    »Richtige« Populisten hingegen, die sich generell an den äußeren Rändern der politischen Landschaft bewegen, belassen es nicht bei einzelnen Wahlkampfsprüchen oder Kampagnen auf der Klaviatur der »political incorrectness«. Aus Vereinfachungen, Verallgemeinerungen und einem instinktsicheren Spiel mit Emotionen und Vorurteilen zimmern sie ein generelles politisches Programm. Das Grundschema ist dabei immer gleich: »Hier ist das Problem, dort sind die Schuldigen, und das ist die Lösung!« Die Schuldigen sind in der Regel Minderheiten (meist »Ausländer«) und natürlich die Politiker, »die da oben«. Typisch für Populisten ist, dass sie als Persönlichkeit oft eine gewisse Ausstrahlung haben. Zum Beispiel, dass sie überdurchschnittlich gut aussehen, wie der stets braun gebrannte österreichische Rechtspopulist Jörg Haider, der sehr charmant auftreten konnte. Mit ihren bewusst »politisch unkorrekten« Aussagen in ihrem Geschimpfe »auf die da oben« (wo sie eigentlich selbst hinwollen) nehmen sie für sich in Anspruch, die einzig Ehrlichen zu sein. Nach dem Motto: »Die anderen belügen euch ja nur, ich sag, wie es wirklich ist.« Diese Eigenwerbung folgt genau den Gesetzen, die jeder Werbefachmann benutzt, um Waschmittel oder Autos zu verkaufen: Wecke Aufmerksamkeit! Sei ungewöhnlich! Gib den Konsumenten das Gefühl, dass es ihnen sofort rundum wunderbar gehen wird, wenn sie das Produkt kaufen! Tatsächlich aber hat es noch kein Populist je geschafft, seine Glücksversprechen umzusetzen.

Wissen Journalisten mehr, als sie schreiben?
    Journalisten und Reporter wissen oft mehr, als sie schreiben. Im Prinzip wollen Journalisten natürlich immer alles berichten, was sie wissen, und noch lieber enthüllen sie etwas, das kein anderer weiß. Was übrigens auch wirtschaftlich gut ist, denn eine Zeitung, die etwas Aufregendes berichtet, verkauft sich besser. Also muss es Gründe haben, wenn Journalisten etwas verschweigen:
Sie wissen etwas, können es aber (noch) nicht beweisen.
Sie würden mit der Veröffentlichung jemandem so schaden, dass sie das nicht verantworten wollen.
Sie können mit der Nicht-Veröffentlichung jemanden dazu bewegen, ihnen noch wichtigere Informationen zuzuspielen (»Ich schreib nichts über dich, wenn du mir dafür mehr über diese andere Sache erzählst«).
Sie wollen nicht das Vertrauen eines Informanten missbrauchen, weil sie versprochen haben, ihn nicht zu zitieren oder über eine bestimmte Sache nicht zu schreiben. Außerdem ist es meist besser, man pflegt einen Informanten und behält ihn, statt ihn für eine einzige Story zu opfern.
    Wenn etwas nicht veröffentlicht wird, obwohl es viele Leute interessieren würde, handelt es sich oft um das Privatleben von Politikern. Oder es geht um Krisen, bei denen das Leben von Geiseln oder Entführungsopfern auf dem Spiel steht. Es wird dann zum Beispiel von der Polizei um ein »Nachrichtenmoratorium« gebeten. Die wichtigsten Chefredakteure werden zwar informiert, aber gebeten, dass sie in ihren Zeitungen oder Sendern (noch) nichts darüber berichten. Beispielsweise, als der Hamburger Multimillionär Jan Philipp Reemtsma entführt worden war. Er kam nach 33 Tagen gegen Zahlung von 30 Millionen D-Mark (rd. 15 Millionen Euro) frei – erst danach erfuhr die Öffentlichkeit davon. Kontakt zu den Entführern nahm man übrigens mit Hilfe von codierten Kleinanzeigen in einer Hamburger Tageszeitung auf. Und recherchiert wurde von Journalisten auch in der Nicht-Berichtsphase sehr wohl. So scheiterte beispielsweise eine Geld übergabe, weil erst einmal die Reporter abgeschüttelt werden mussten.
    Auch bei Geiselnahmen im Ausland ist es üblich, dass nicht alles sofort gemeldet wird, damit das Außenministerium in Ruhe verhandeln kann.
    Etwas anderes sind Meldungen über das Privatleben von

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